Witwe spricht erstmals nach Enkes Suizid über Depression
Zum ersten Mal nach dem Suizid von Robert Enke hat seine Witwe Teresa Enke öffentlich über die Depressionen des Nationaltorwartes gesprochen.
Frankfurt.
„Es muss einen Sinn ergeben: Mein Mann soll nicht in Vergessenheit geraten. Es braucht sich keiner zu schämen, der Brustkrebs oder Depressionen hat!“ Es waren starke Sätze, die Teresa Enke, die Witwe von Torhüter Robert Enke, etwa fünf Jahre nach dessen Suizid der Öffentlichkeit zu sagen hatte.
Ebenso aufgewühlt hatte auch Ronald Reng, Buchautor, Biograf und enger Freund von Robert Enke geredet. Beide hätten sich noch nie öffentlich mit dem Tod des Nationaltorwarts Robert Enke so auseinandergesetzt wie am Donnerstag im Museum von Eintracht Frankfurt, sagten sie. Das Thema: „Depressionen – Wenn Sport auf die Seele drückt“.
„Der Konkurrenzkampf hat ihn kaputt gemacht“
Reng verwies darauf, dass während Enkes Engagement bei Borussia Mönchengladbach in den 90er Jahren „fünf Spieler an einer psychischen Erkrankung litten.“ Alle mussten sich verstecken. So wie der blonde Tormann aus Jena, der „das Talent hatte, ein guter Schauspieler zu sein – aber mit seiner Depression war es sein Verhängnis“, so Reng. „Wenige haben die Warnsignale gehört, weil die Vorbildung fehlte.“
Teresa Enke stellte klar heraus, dass die verhängnisvolle zweite klinische Depression im Zusammenhang mit der Nationalmannschaft stand. „Der geschürte Konkurrenzkampf mit René Adler – das war schlimm für ihn. Die Nationalmannschaft war ihm so wichtig, das war sein Traum, aber das hat ihn kaputt gemacht.“
Enke war in professioneller Behandlung
Die 38-Jährige berichtete, dass ihrem Ehemann in dieser Phase, als der „einsame Cowboy im Strafraum“ sich längst beim Kölner Psychiater Valentin Markser in professioneller Behandlung befand, das erworbene Standing in Hannover nicht mehr ausgereicht habe. „Da hätte er sich auch zehn Spiele die Bälle reinwerfen können“.
Sowohl Bundestorwarttrainer Andreas Köpke als auch DFB-Psychologe Hans-Dieter Hermann hätten zwar beizeiten gespürt, dass Leistungsdruck den befreundeten Keepern Enke und Adler nicht wirklich gut bekam, aber in die Seele des 96-Schlussmannes blickten sie ebenso wenig wie die im Verein besorgten Mitspieler Hanno Balitsch oder Arnold Bruggink.
Es ging gestern nicht um Vorwürfe. Vielmehr warb Reng um Verständnis für Trainer im Profigeschäft, die „die Hälfte aller Mitarbeiter vor den Kopf stoßen müssen.“ Aber Teresa Enke machte klar, dass die Trainer und Betreuer im Jugendbereich nicht Psychologie studieren müssten, „sie müssen nur offen sein“.
Professionelle Hilfe
DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig dürfte genau hingehört haben, dass Reng es zwar begrüßt, in den Auflagen zu den Nachwuchsleistungszentren die Anstellung eines Psychologen zu verankern, doch hierbei müsse eine Qualitätskontrolle her: „Die meisten Psychologen oder Mentaltrainer sind dafür da, die Leistung zu optimieren, aber nicht geeignet, psychische Erkrankung zu therapieren.“
Noch immer gebe es „Nachholbedarf, was die Erkennung von Depressionen angeht“. 15 Prozent aller klinisch Depressiven versuchen einen Selbstmord. Teresa Enke will, dass kein Spitzensportler sich das Leben nimmt, weil er psychisch in der Sackgasse gelandet ist. „Das darf nie mehr vorkommen! Viele sagen, es hat sich nichts geändert. Ich sage, es hat sich viel geändert.“
Ralf Rangnick habe beispielsweise nach seinem Burnout problemlos auf die Bühne zurückkehren können. „Wir möchten, dass jeder sich öffnen kann, ohne stigmatisiert zu werden.“ Dabei hilft die mit DFB-Unterstützung gegründete Robert-Enke-Stiftung oder der Zusammenschluss von Spezialisten an acht bundesweiten Uni-Kliniken.