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Warum Martin Shaw als „George Gently“ so gut ist

Warum Martin Shaw als „George Gently“ so gut ist

Die Serie ist das Gegenteil zum betulichen Barnaby: „George Gently“ (ZDF, Sonntag, 22 Uhr) ist der Aufrechte unter Schurken. Die Botschaft der Serie: Die 60er-Jahren waren in England so rau wie das Straßenpflaster. Genau das macht ihren Charme aus.

Mainz. 

Der englische Polizist, das weiß man, wird Bobby genannt und gilt als höflich und korrekt. Die Ausnahmen sind in der britischen Serie „George Gently“ zu besichtigen, die auch in Deutschland so erfolgreich ist, dass das ZDF ab Sonntag (22 Uhr) sechs weitere Folgen ausstrahlt. Man schreibt das Jahr 1964, und der britische Bobby prügelt, intrigiert, fälscht Beweise, dass es nur so eine Art ist. Nur einer hält die Fahne der Gerechten hoch: der Titelheld, der deshalb den Ehrennamen „Der Unbestechliche“ trägt und von Martin Shaw großartig verkörpert wird.

Dass der 69-Jährige diese Rolle überhaupt übernommen hat, ist allerdings ein Glücksfall. Was TV-Serien angeht, ist Martin Shaw ein gebranntes Kind. Als Agent Ray Doyle war er zwar Ende der Siebziger im Kulthit „Die Profis“ weltweit erfolgreich, danach aber erst mal als Action-Rowdy abgestempelt. Ganz schlimm fand er das und schwor sich, niemals mehr im Fernsehen den Haudrauf zu geben.

Da spielte er lieber Theater, gern auch den Elvis Presley im Drama „Are You Lonesome Tonight“ oder den Lord Goring in Oscar Wildes „Ein idealer Gatte“. Das machte er so gut, dass Roman Polanski ihn unbedingt für seine „Macbeth“-Verfilmung haben wollte. Shaws Banquo hatte alles, was auch sein George Gently hat: ein Feuer, das hinter der beherrschten Fassade schwelt, die Melancholie, die den mächtigen Mann wie eine dunkle Wolke umhüllt, die plötzlichen Gewaltausbrüche.

Dieser George Gently mag nämlich anständiger als die anderen Polizeibeamten im chaotischen England der 60er sein – aber das ist nur relativ. Wenn der Herr Inspektor zusammen mit seinem Assistenten John Bacchus (ebenfalls großartig: Lee Ingleby) beim Verhör das Spiel „Guter Bulle, böser Bulle“ treibt, gibt es für den Verdächtigen vom Assistenten natürlich erst mal was auf die Fresse, während sich der Herr Inspektor mit einer pädagogischen Ohrfeige begnügt. So war das eben damals.

Zähne fehlten, die Nase war platt

Gewalt ist auch Martin Shaw nicht fremd, und erst mühsam hat er sein Leben in geordnete Bahnen gelenkt. Geboren 1945 in einem tristen Vorort der Industriestadt Birmingham, prügelte er sich als Teenager so häufig, dass er nach einem besonders betrunkenen Duell eine umfangreiche Gesichtsoperation benötigte. Zähne fehlten, die Nase war eingedrückt, und ein Jochbein musste gar vom plastischen Chirurgen ersetzt werden.

Mit 26 wurde Shaw ein Anhänger von Charan Singh, einem Meister der spirituellen Lehre Sant Mat. Vegane Diät, Yoga, kein Alkohol und keine Drogen – daran hält er sich bis heute, was aber nicht unbedingt auf ein langweiliges Leben schließen lässt. Dreimal war er verheiratet, drei Kinder entsprangen den Beziehungen, am liebsten pilotiert er alte Flugzeuge. Sein unermüdliches Engagement für den Tierschutz machten Martin Shaw schon vor dem George-Gently-Ruhm zum Liebling aller Briten.

Das hat nicht nur Vorteile. Eine besonders hartnäckige Stalkerin belästige Martin Shaw über Jahre mit zahllosen Briefen, Anrufen, ungebetenen Besuchen und schüttete am Ende sogar einen Kanister Benzin ins Haus seiner aktuellen Partnerin. Die Dame wurde verhaftet, und man mag sich gar nicht vorstellen, was einer wie George Gently mit ihr während des Verhörs alles angestellt hätte.