Essen. Sie wurde liebevoll die „Königin der Kleider” genannt und war die Vorzeige-Unternehmerin des deutschen Wirtschaftswunders, das nur wenige Frauen in mächtigen Positionen kannte: Aenne Burda. Gestern hätte die Offenburgerin, die im November 2005 verstarb, ihren 100. Geburtstag gefeiert.
Eine Ausnahmefrau, die mit schier unerschöpflicher Energie deutsche Nachkriegsgeschichte mitschrieb. In späteren Lebensjahren hat Aenne Burda immer wieder lächelnd erzählt, dass sie ihr Startkapital für ihren eigenen Modeverlag einer Affäre ihres Mannes zu verdanken habe.
Der Verleger Franz Burda („Bunte”) hatte nämlich eine Geliebte. Eine Beziehung, die nicht ohne Folgen blieb. Eine Tochter wurde geboren. Burdas Ehefrau Aenne, Hausfrau und Mutter dreier Söhne, wollte nicht die Scheidung, sondern Genugtuung. Die 40-Jährige bat ihren Mann, ihr einen kleinen Verlag zu überlassen, den vorher seine Freundin mit wenig Erfolg geführt hatte. Franz Burda soll „Dann mach’s doch du!” gebrüllt haben. Im Oktober 1949 hatte seine Ehefrau Aenne ihre berufliche Selbstständigkeit. Die erste Ausgabe von „Burda Moden” kam im Januar 1950 auf den Markt.
Präzise Schnittmuster
Die Tochter eines Eisenbahners wollte mit ihrem Modeheft etwas für die deutsche Nachkriegsfrau tun. Die hatte sehr wenig Geld, meist aber viel Geschick und konnte in der Regel nähen. Verlegerin Burda setzte auf „Mode zum Selbermachen” und fügte ihren Heften präzise Schnittmuster und Nähanleitungen bei. Ihre Modetipps waren massentauglich – ob glockige Röcke, schmeichelnde Kleider, Strampler für den Nachwuchs oder Anzüge für den Herren. Vor allem war „Burda”-Mode einfach und schnell genäht. „Ich bin durch und durch praktisch. Ich wusste, was normale Frauen wollen”, sagte Aenne Burda über sich selbst. 1968 verkaufte sie 1,5 Millionen Hefte. 1989 war „Burda Moden” mit einer Auflage von über vier Millionen und Übersetzungen in 17 Sprachen das größte Modejournal der Welt.
Zwei Jahre vorher, 1987, brachte Aenne Burda die erste westliche Zeitschrift in russischer Sprache in der Sowjetunion heraus. Eine Unternehmung, zu der sie überredet werden musste. Denn für „die Kommunisten” wollte sie zunächst nichts machen. Ihre russischen Leserinnen waren ihr für den Sinneswandel dankbar. Zumindest die mit gut verdienenden Männern. Diese Frauen rissen sich die „Burda”-Schnittmuster aus den Händen. Sie hatten Lust auf selbstgenähten westlichen Chic, auf Rezepte für schmackhafte Gerichte.
Alles von der Stange
Im März 1987 saß Aenne Burda im Moskauer Gewerkschaftshaus und feierte mit einer Modenschau ihren größten Triumph. „Burda Moden” erschien erstmals offiziell auf dem sowjetischen Markt. Die Grande Dame der deutschen Mode wurde von Raissa Gorbatschowa empfangen. „Sie haben mehr geleistet als drei Botschafter vor Ihnen”, lobte Außenminister Hans-Dietrich Genscher die Offenburgerin.
Heute heißt „Burda Moden” „Burda Style” und hat noch eine weltweite Auflage von rund einer Million Exemplaren. Das Heft ist ein Produkt des Burda-Medienkonzerns. In Deutschland hat die Leidenschaft fürs Nähen nachgelassen. Warum etwas selbermachen, wenn man beim Textildiscounter alles von der Stange bekommt, scheinen die meisten Leute zu denken. Die Russinnen haben Aenne Burda die Treue gehalten. Eine Sprecherin von „Burda Style”: „Das ist unser größter Auslandsmarkt.”