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Ständiges Grübeln – Wenn die Gedanken Karussell fahren

Ständiges Grübeln – Wenn die Gedanken Karussell fahren

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Foto: Getty Images
Grübeln ist normal – doch ein zu häufiges Grübeln kann krank machen. Denn das fast ständige Nachdenken kostet nicht nur Zeit, sondern auch Kraft. Zudem können negative Gedanken depressive Verstimmungen fördern. Das Zentrum für Psychotherapie in Bochum hat eine „Grübeltherapie“ entwickelt.

Bochum. 

Gedanken immer wieder durchkauen, kein Ende finden und schlussendlich darüber resignieren. Die Psychologie nennt dieses Verhalten „Rumination“, übersetzt wiederkäuen. „Wir alle grübeln mal, das ist völlig normal. Aber wenn schon der kleinste Auslöser Grübeln auslöst – und das immer wieder –, wird es zum Problem“, sagt Dr. Tobias Teismann, Psychologe und Leiter des Zentrums für Psychotherapie in Bochum. Es gibt keinen Grenzwert, der uns anzeigt, wie viel Grübeln noch normal ist, „eine Faustregel ist der persönliche Leidensfaktor“, so Teismann. Raubt einem das ständige Nachdenken Zeit und Kraft, fördern die negativen Gedanken depressive Verstimmungen.

Grübeln und Verstimmungen

Früher galt Grübeln als Begleiterscheinung psychischer Erkrankungen – seit den 90er-Jahren hat sich dieses Bild in der klinischen Forschung gewandelt. „Heute wissen wir, dass Grübeln auch der Motor für negative Stimmung ist.“ In Studien wurde gezeigt: Frauen neigen stärker dazu, in sich zu gehen, sich grübelnd zurückzuziehen. Männer greifen häufiger zur Methode Ablenkung – „wobei die Studien dies nicht zu 100 Prozent belegen konnten“.

Wie lässt sich Grübeln aber von anderen Gedankenschleifen abgrenzen? „Es sind Gedanken die sich um das ,Warum?’ drehen. Sie beziehen sich auf die Gegenwart und Vergangenheit, nicht auf die Zukunft, das wären dann Sorgen“, sagt Teismann. Die Prozesse ähneln sich sehr, trotzdem müsse hier in der Behandlung eine Differenzierung stattfinden.

Ständiges Grübeln raubt nicht nur Kraft und Zeit, es wirkt sich auf den gesamten Organismus aus. Wir erleben Schmerzen intensiver, bis wir Krankheiten überwunden haben, vergeht schließlich mehr Zeit. „Zu erklären ist dies mit einer länger anhaltenden Cortisolausschüttung, (Anm. d. Red.: körpereigenes Hormon, das bei Stress vermehrt ausgeschüttet wird) durch den höheren Stresspegel des Körpers“, erklärt Teismann. Am Bochumer Therapiezentrum startete 2009 die erste „Grübeltherapie“. In Gruppensitzungen wurden Menschen, die zum exzessiven Gedankenkarussell neigen, verhaltenstherapeutisch angeleitet. 60 Probanden nahmen an der Studie teil, viele profitierten von der Therapie.

„Der stärkste Effekt zeigte sich in der Wiedererlangung von Kontrolle“, fasst Tobias Teismann das Studienergebnis zusammen. Eine gute Nachricht für die Psychologen, denn genau darum dreht sich die Behandlung: Die Kontrolle über die eigene Gedankenwelt zurückzuerobern. „Das Wichtigste ist erstmal mitzubekommen, dass man grübelt“, sagt der Psychologe. Ein Gedankenkarussell laufe häufig unbewusst ab, es hat sich verselbstständigt. So mancher Patient merke erst nach Stunden, dass er auf der Couch sitzt und seine Gedanken um ein Thema kreisen. Im nächsten Schritt sollte man sich auch fragen: Verspreche ich mir etwas vom Grübeln?

Viele Menschen verfangen sich in den Gedanken, weil sie meinen, dass es ihnen zu einer Lösung des Problems verhilft. Erst durch das Nachdenken über das Nachdenken wird dann klar, dass das Grübeln eher aufhält und die Aktivität verhindert.

Strategien entwickeln

In der Praxis werden dann Strategien entwickelt, einen Gegenpol zum Grübeln zu schaffen. „Hier geht es auch um Ablenkung, ein Wort, das in der Psychologie häufig sehr negativ besetzt ist“, sagt Teismann. Ablenkung würde mit Verdrängung gleichgesetzt, dabei gehe es hier im positiven Sinne um eine Veränderung der Wahrnehmung. Der Mensch soll – statt auf negative Gedanken – seine Aufmerksamkeit auf Sinneseindrücke richten. Was sehe, rieche, höre ich gerade? Auch Aktivität, zum Beispiel Sport, kann helfen, sich der negativen Gedankenwelt zu entziehen.

Ein weiterer Schritt ist ein Konzentrationstraining. Hier lernt man die Kontrolle über die Eindrücke zu erlangen. „Sich nicht von Gedanken provozieren zu lassen, Gedanken einfach treiben zu lassen – sie bleiben nur, wenn wir sie festhalten“, sagt Teismann.