Mitten in der Länderspielpause rüttelte diese Nachricht am Mittwoch (9. Oktober) ganz Fußball-Deutschland wach: Jürgen Klopp wird ab Januar bei Red Bull die Position des Global Head of Soccer übernehmen.
Und sofort war das Geschrei groß: Wie bitte? Ausgerechnet Jürgen Klopp soll bei Red Bull unterschrieben haben? Der charismatische „Kloppo“, der mit seiner authentischen Art die Herzen der Fans von Traditionsvereinen wie Mainz 05, Borussia Dortmund und Liverpool im Sturm erobert hatte, soll künftig für den hässlichsten Auswuchs des kommerzgetriebenen modernen Fußballs arbeiten?
Jürgen Klopp zu Red Bull: Ein Skandal?
Das war der Tenor, auf den die meisten Fußballfans und Experten sich sofort einigten. Ein Tenor, der auf einer emotionalen Ebene verständlich sein mag, jedoch auf einer rationalen Ebene ziemlich lächerlich ist.
Unbestritten ist, dass Jürgen Klopp bei seinen drei Trainer-Stationen in Mainz, Dortmund und Liverpool das darstellte, was der größte Teil der Fans sich von Trainern und Spielern wünscht: Emotionen, Identifikation mit dem Verein, Authentizität, Bodenständigkeit, Ecken und Kanten, klare Worte. In einer Zeit, in der dem Fußball die „echten Typen“ immer mehr ausgehen, war Klopp mehr als nur eine willkommene Abwechslung für die Fans.
Dass er mit den drei Vereinen darüber hinaus auch noch riesige Erfolge feierte, steigerte seine Popularität umso mehr. Den abstiegsbedrohten Zweitligisten aus Mainz führte er in die 1. Liga und dort sogar in den UEFA-Cup. Die damals taumelnden Riesen aus Dortmund und Liverpool beförderte er zurück in die europäische Spitze, feierte nationale Meisterschaften und große Erfolge in der Champions League.
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Jürgen Klopp abseits des Fußballs
Doch diejenigen unter den Fans, die deswegen in Jürgen Klopp den Heilsbringer im Kampf gegen die widerliche Fratze des modernen Fußball-Business sahen, taten dies offenbar nur durch die rosarote Brille überbordender Fußballromantik. Oder sie schalteten ihre Fernseher in den vergangenen 20 Jahren einzig und allein während der 90 Minuten ein, in denen Klopps Mannschaften spielten.
Hätten sie die Geräte etwas länger laufen lassen, wäre ihnen aufgefallen, dass es da noch einen anderen Jürgen Klopp gibt. Einen Jürgen Klopp, der sein Werbe-Gesicht gefühlt für jedes Unternehmen zur Verfügung stellt, wenn es denn nur genug Kohle auf den Tisch legt.
Das ist alles erlaubt. Dieser Kommentar ist keine Kritik an den Werbe-Aktivitäten Klopps. Er ist eine Kritik an dem scheinheiligen Gejammer vieler Fußball-Liebhaber, denen vor Schreck die Stadionwurst ins Bier fiel, als sie hörten, dass der ach so große Fußballromantiker Jürgen Klopp doch tatsächlich bei Red Bull einsteigt.
Für welche Produkte Jürgen Klopp wirbt – da war der Fußballcoach schon immer moralisch flexibel: Alkohol, Glücksspiel, umstrittene Investment-Pakete – wo manch andere Promis bei ihren Werbe-Engagements eine klare Grenze ziehen, hielt Klopp regelmäßig die Hand auf.
Klopp zu Red Bull: Das ist nicht schockierend
Es ist keine Schock-Nachricht, wenn so jemand einen Job bei jenem Konstrukt annimmt, das wie kein zweites die fiesen Auswüchse des modernen Fußballs verkörpert. Investorengeführte Vereine waren Fußballfans immer schon ein Dorn im Auge. Doch im Gegensatz zu Clubs wie Leverkusen, Wolfsburg oder Hoffenheim bewegt Red Bull sich auf einem ganz anderen Level. Bei Vereinen wie RB Leipzig gibt es nicht im Ansatz irgendeinen historischen Kontext zu Region oder Einheimischen. Die Red-Bull-Vereine wurden nur aus einem einzigen Grund entworfen: Sie sollen den Verkauf eines Brausegetränks ankurbeln.
Und dies machen sie ab Januar nun mal eben mit einem neuen Werbe-Gesicht, das darin bestens geschult ist: Jürgen Klopp.