Ein Interviewausschnitt von Papst Franziskus sorgte am Wochenende für Irritationen, Kritik und Empörung. Das Oberhaupt der Katholiken hatte die Ukraine dazu aufgerufen, den Mut zu haben, die „weiße Fahne“ zu hissen. Die Ukraine müsse also um Frieden verhandeln, so die Aufforderung des Bischofs von Rom. Er sagte im Interview mit dem Schweizer Sender RSI weiter: „Wenn man sieht, dass man besiegt wird, dass die Dinge nicht gut laufen, muss man den Mut haben, zu verhandeln.“
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Ist er damit dem angegriffenen Staat in den Rücken gefallen? Hat er die Ukraine zur Kapitualion gegen Putin aufgerufen? Auch in Deutschland sorgen die Zitate für Wirbel. Unsere Redaktion hat bei katholischen Vertretern nachgefragt. Ihre Aussagen könnten unterschiedlicher kaum sein!
Zentralkomittee der deutschen Katholiken: „Lieferung von Waffen weiter nötig“
Dr. Irme Stetter-Karp, Präsidentin des Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), findet deutliche Worte und grenzt sich damit vom Papst ab. Das ZdK habe „den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine früh und unmissverständlich verurteilt. Die Ukraine hat jedes Recht, sich zu verteidigen. Die Lieferung von Waffen, die dieser Verteidigung dienen, hält das ZdK weiter für nötig“, so Stetter-Karp in einem Statement auf unsere Anfrage.
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Papst soll mit Putin sprechen
Für das Zentralkomitee sei klar: „Die langfristige Wiederherstellung der territorialen Integrität der Ukraine ist nicht durch Kapitulation zu erreichen.“ Russland müsse deutlich in die Verantwortung genommen werden, „seine fortgesetzte Aggression zu beenden“. In diesem Sinne sei „eine entschlossene, schnelle und eindeutige Intervention des Vatikans“ zu begrüßen.
Mit anderen Worten: Der Papst müsse nun schnellstmöglich das Gespräch mit Putin suchen, so der Appell und die Erwartung der deutschen Katholiken. Auch wegen einer Schadenbegrenzung?
Die Stellungnahme der katholischen Friedensbwegung pax christi schlägt dagegen einen anderen Ton an. Der Bundesvorsitzende der deutschen Sektion, Gerold König, „dankt dem Papst, dass er sich nach langer Zeit des Zögerns positioniert“ hat. Angesprochen auf den Unmut gegen den Papst bis hin zu Gedankenspielen über Kirchenaustritte im Netz, erklärt er: „Mir war klar, dass der Papst für seine Aussage ‚in der Luft zerrissen wird.'“
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Friedensbewegung verteidigt den Papst: „Wurde falsch verstanden“
König bricht gegenüber unserer Redaktion eine Lanze für den Franziskus: „Der Papst fordert die Ukraine nicht auf zu kapitulieren, wenn er sagt, die weiße Flagge muss gehisst werden. Das wurde falsch verstanden und wurde bereits durch die Sprecher des Vatikans revidiert. Er fordert Verhandlungsbereitschaft in einem Krieg, der durch immer mehr Waffen nicht zu einem Ende führen wird, sondern weiter Menschenleben fordert, sowohl Soldaten wie auch in der Zivilbevölkerung.“
Papst Franziskus habe schon vor Monaten die Sorge geäußert, dass durch unüberlegtes Handeln ein dritter Weltkrieg ausbrechen könnte. „Es kann und darf nicht nur um Siegen oder Verlieren gehen. Im Mittelpunkt allen Handelns muss die Sorge um Menschenleben stehen“, so der Vorsitzende König. Auch wenn Russland der klare Aggressor in diesem Krieg sei und scharf verurteilt werden müsse, dürfe die Lösung nicht „kämpfen bis zum bitteren Ende“ lauten.
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Aus Sicht von pax christi müsse die Bereitschaft, Verhandlungen zu führen, zuerst von der Ukraine signalisiert werden und dann „von den ‚Mächtigen der Welt‘ aufgegriffen und unterstützt werden.“ Die Frage nach möglichen Kompromissen, wie einer Aufgabe der Krim oder neuer Grenzziehungen, stehe erst danach an.