Feuerwehrmann Sam ist der Held vieler Kinder. Wegen ihm reift in ihnen der Wunsch, eines Tages auch Feuerwehrmann zu sein. Zum sechsköpfigen Team der Trickfigur gehören auch zwei Feuerwehrfrauen, doch in der Realität ist der Anteil an weiblichen Feuerwehrleuten auf den Wachen noch deutlich geringer.
Laut einer Statistik vom Deutschen Feuerwehrverband waren im Jahr 2021 nur 995 Frauen in der Berufsfeuerwehr in Deutschland tätig. Das sind nicht einmal drei Prozent. Auch in Bochum gehört Ulrike S. zu sehr wenigen Frauen auf der Wache. Die 29-Jährige ist mehr durch einen Zufall zur Feuerwehr gekommen. Ich durfte sie im März 2023 einen Tag auf der Wache begleiten.
Bochum: Feuerwehrfrau zeigt wie es gehen kann
„Im Bewusstsein der Bevölkerung sind Feuerwehrleute eben noch Männer. Ich bin damals in die Jugendfeuerwehr eingetreten, aber wenn ich nicht darauf angesprochen wäre, wäre ich auch nicht darauf gekommen“, erklärt sie mir im Gespräch. Nur weil ihr ehemaliger Schul-Hausmeister, der zufällig auch der Chef der Freiwilligen Feuerwehr war, sie mit zehn Jahren beim Werkeln gesehen hatte, wurde sie auf die Freiwillige Feuerwehr aufmerksam gemacht.
Ein Tag im Leben von … ist der Titel unserer Reportage-Reihe bei DER WESTEN. Wir durften über einen bestimmten Zeitraum für einen Tag verschiedene Persönlichkeiten in ihrem (beruflichen) Alltag begleiten. Dabei haben wir erstaunliche Einblicke in den Job, die damit verbundenen Aufgaben, Schwierigkeiten und Chancen bekommen. Hier findest du alle Beiträge.
Der Weg zur Berufsfeuerwehr sei dann mehr oder weniger in eins übergegangen. Die Ausbildung zur Feuerwehrfrau ist jedoch kein Zuckerschlecken. „Bei uns musst du alles können, egal ob Frau oder Mann“, erklärt sie. Um bei der Berufsfeuerwehr anfangen zu können, wird mindestens eine abgeschlossene handwerkliche Ausbildung erwartet. Zudem müssen die Anwärter einen sportlichen und technischen Eignungstest bestehen.
Ulrike S. ist im gehobenen Dienst und daher in der Leitstelle tätig oder fährt als Zugführerin mit auf Einsätze. Vor Ort leitet sie das Team von draußen, ins brennende Haus rennt sie heute nicht mehr. Deshalb sei es wichtig, dass das Team ihr vertraue und auf ihr Wort höre. „Ich sehe da keinen großen Unterschied, ob ich Frau oder Mann bin. Wenn man seinen Job gut macht, kriegt man auch den Respekt. Ich glaube wir kommen hier regelmäßig an unsere Grenzen, aber da ergänzen wir uns im Team.“
DIESE Frage darf man Feuerwehrleuten niemals stellen
Was sie damit meint, erfahre ich kurze Zeit später im Aufenthaltsraum. Die Männer kommen von einem heftigen Einsatz. In der Nacht kam es zu einem Brand in einem Mehrfamilienhaus in Bochum. 18 Personen konnten gerettet und evakuiert werden – ein Mann konnte jedoch nur noch tot aus seiner Wohnung geborgen werden (DER WESTEN berichtete). Kurz darauf sitze ich mit den Einsatzkräften am Frühstückstisch. Ich weiß nicht recht, wie ich mich verhalten soll und frage mich, wie man solch einen Einsatz emotional abschütteln kann. Genau das müssen die Feuerwehrleute aber, denn der nächste Notruf kann wenige Minuten später schon kommen. Dann sind wieder Menschen auf ihre Hilfe angewiesen.
Mein journalistischer Instinkt sagt mir, dass ich sie nach ihrer Gefühlswelt fragen sollte, doch in dem Moment fühlt es sich nicht richtig an. Also schweige ich und wir reden über andere Themen. Und damit sollte ich auch richtig liegen, wie mir Ulrike kurz darauf deutlich zu verstehen gibt. „Die Frage nach dem ‚schlimmsten‘ Einsatz sollte man einem Feuerwehrmann niemals stellen. Schließlich kann es sein, dass er sich gerade sogar in psychologischer Behandlung befindet und man somit wieder Wunden aufreißt.“
Auch ohne zu fragen, merke ich, dass der Einsatz nicht spurlos an ihnen vorbeigeht. Aber der Fokus liegt darauf, wieder neue Energie für den nächsten Einsatz zu tanken. Nun habe ich einen Eindruck bekommen, mit welch emotionaler Belastung ein Feuerwehrmann oder eine Feuerwehrfrau klarkommen muss. Anschließend ist der körperliche Teil dran.
Der Selbsttest
Ulrike nimmt mich mit in die Halle, wo die Einsatzfahrzeuge bereitstehen. Ich darf in die Dienstkleidung schlüpfen – die alleine wiegt schon fast 15 Kilogramm. Um nur ansatzweise ein Gefühl für einen Einsatz zu bekommen, soll ich eine Übung absolvieren. Dafür bekomme ich ein Atemschutzgerät auf den Rücken geladen, einen Schlauch oben drauf und jeweils rechts und links einen Schlauchtragekorb.
Damit gehe ich ein paar Mal rauf und runter – zunächst kein Problem. Doch nach ein paar Minuten werden die Arme schon schwerer und deshalb mag ich es mir kaum vorstellen, wie es in einem engen und heißen Raum aussehen mag, während Rauch und Maske die Atmung noch erschweren. Mal kurz eine Schnaufpause einlegen, ist da nicht möglich. Zumal mir Ulrike erklärt, dass ein Trupp bei einem Einsatz durchaus bis zu 40 Kilogramm mit sich rumschleppen kann.
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Eine Erfahrung, die ich an diesem Tag nicht machen darf. Bei einem realen Einsatz gehört die ganze Konzentration der Feuerwehrleute der Löschung des Feuers und der eventuell notwendigen Rettung von Personen. Ein zusätzlicher Beobachter würde nur stören und sich selbst in Gefahr bringen. Selbst die Einsatzkräfte müssen in der Ausbildung erst zahlreiche Übungen absolvieren, ehe es zum Ernstfall kommt. Deshalb ist es aus Sicherheitsgründen für Außenstehende nicht möglich, mit der Drehleiter zu Einsätzen zu fahren.
Innerhalb weniger Stunden habe ich viele erstaunliche Eindrücke von der Wache miterleben dürfen. Zurück bleibt große Bewunderung für den Mut der Feuerwehrleute und für die Vielseitigkeit des Berufes. Ob eine Frau ein genauso guter Feuerwehrmann sein kann wie ein Mann? Warum nicht, wenn sie mit derselben Leidenschaft und vollem Ehrgeiz an die Arbeit geht.