Trotz anhaltender Anfragen aus Kiew will Olaf Scholz vorerst keine Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine liefern. Das geht aus Informationen der „Bild“-Zeitung hervor, wonach Kiew signalisiert worden sei, dass eine kurzfristige Lieferung der Taurus-Systeme unwahrscheinlich sei. Stattdessen konzentriere sich Berlin verstärkt auf die Lieferung weiterer Flugabwehrsysteme an die Ukraine, heißt es.
Andreas Schwarz, SPD-Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Haushalts- und Verteidigungsausschuss, ist damit nicht einverstanden. Er plädiert für eine sofortige Lieferung der Taurus-Raketen. Im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt er, warum er sich für eine Lieferung der Marschflugkörper ausspricht.
Darum will Kanzler Scholz Taurus nicht liefern
Hinsichtlich der Taurus-Raketen herrscht in Berlin besondere Vorsicht: Der Bundeskanzler befürchtet wohl, dass die Kertsch-Brücke zur Krim mit diesen Waffensystemen beschossen werden könnte. Jüngste Gespräche mit britischen Regierungsvertretern mit dem Ziel, Deutschland für eine Waffenlieferung zu gewinnen, blieben erfolglos.
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz betonte, dass die Lieferung der Taurus-Marschflugkörper nicht mit den britischen und französischen Marschflugkörpern vom Typ „Storm Shadow“ vergleichbar sei. Denn Großbritannien und Frankreich liefern die Geodaten für die Angriffsziele direkt selbst und sind auch mit eigenem Personal beteiligt. Bei den Taurus-Marschflugkörpern sei das anders.
„Essenziell um ihr Land zurückzuerobern“
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Andreas Schwarz geht mit der Entscheidung seines eigenen Kanzlers hart ins Gericht. Schon auf X (früher Twitter) schrieb er am Mittwochabend vielsagend: „Geschichtsbücher werden ihr Urteil zu unserer heutigen Politik finden.“. Gegenüber dieser Redaktion führt er nun aus: „Die Ukraine will mit den Taurus-Marschflugkörpern der russischen Überlegenheit an Ausrüstung und Munition entgegentreten und dabei auch gezielt russische Militärinfrastruktur angreifen.“ Dies sei für die Rückeroberung des Landes unerlässlich, so Schwarz.
Der SPD-Politiker war selbst in der Ukraine und hat mit verschiedenen Militärs und Verteidigungsministern gesprochen. „Vor Ort haben mir die ukrainischen Militärs und Verteidigungsminister versichert, dass sich die Ukraine an die Regeln halten würde, die wir ihnen geben“, berichtet Schwarz.
Er betont auch, dass jede Waffenlieferung ein Risiko berge. „Wenn man selbst in der Ukraine war und in die Augen der Soldaten schaut, dann spürt man, dass wir so viel wie möglich helfen müssen“, so Schwarz.
57 Prozent lehnen Lieferung ab
Dennoch könne er die Sorgen und Nöte der Menschen verstehen. Laut einer Umfrage von „Forsa“ im Auftrag von „RTL“ von Mitte September lehnten 57 Prozent die Lieferung der Raketen ab. Befragt wurden 1001 repräsentiv ausgewählte Wahlberechtigte.
Nach Ansicht von Schwarz sollte die Bundesregierung aber auf die Expertise der Fachleute hören. Diese seien sich einig, dass eine Lieferung der Waffe sinnvoll sei. Schwarz weiter: „Wir haben uns für den Weg entschieden, an der Seite der Ukraine zu stehen und sie zu unterstützen, und das heißt im Umkehrschluss, sie mit allem zu unterstützen, was notwendig ist. Jeder Tag, den dieser Krieg länger dauert, kostet Menschenleben“.