Braut und Bräutigam geben sich das Ja-Wort, die Korken knallen – und dann flattern einige weiße Tauben vor dem Brautpaar in den Himmel! Eine Klischee-Vorstellung wie aus dem Bilderbuch. Doch dieser Hochzeitsbrauch wird auch vielfach kritisiert.
Ist die Zucht und das Anbieten von Hochzeitstauben ein ganz normales Geschäft, um Brautpaaren eine Freude zu machen? Oder sind die Tierquälerei-Vorwürfe durch Tierschützer und Tierfreunde gerechtfertigt?
Unsere Redaktion hat mit beiden Seiten gesprochen – mit dem deutschen Tierschutzbund und einem Hochzeitstauben-Züchter – um deren Argumente zu verstehen.
Hochzeitstauben als Streitthema
Uwe Stoffel aus Dorsten (NRW) ist seit 2010 hauptberuflich Züchter und Anbieter von Hochzeitstauben. Der studierte Wirtschaftsjurist ist Sohn eines passionierten Brieftaubenzüchters, kam daher schon früh mit den Tieren in Berührung. Mittlerweile besitzt er knapp 160 Tauben, die er im Umkreis von bis zu 130 Kilometern rund um Dorsten bei Hochzeiten fliegen lässt.
„Wenn man das seriös macht, verwendet man ausschließlich weiße gezüchtete Brieftauben“, erklärt Stoffel und verweist auf Zertifikate, die manche Züchter vom zuständigen Veterinäramt erhalten. Wer bei der Buchung darauf achtet, „hat schon einen ganz großen Punkt erledigt“.
Tierzüchter üben Kritik
Nadia Wattad vom deutschen Tierschutzbund findet deutliche Worte. „Grundsätzlich ist der Brauch, weiße Tauben an Hochzeiten zu nutzen, aus Tierschutzsicht abzulehnen“, erklärt sie, „da die Tauben einer unnötigen, hohen psychischen und körperlichen Belastung ausgesetzt sind“. Züchter, die Tauben bei Hochzeiten freilassen, würden gegen das Verbot des Aussetzens von Tieren (nach §3, Seite 1, Nummer 3, Tierschutzgesetz) verstoßen.
Dadurch handle der Züchter „fahrlässig“. Wenn die Tauben etwa in zu kleinen Ställen gehalten werden, sind sie für längere Heimflüge von einer Hochzeits-Location gar nicht ausreichend ausgebildet – weder vom Orientierungssinn noch von der Muskulatur. Stromleitungen, Windräder oder Greifvögel stellen dann große Probleme auf den Heimreisen dar. Spezifische Tierquälerei-Vorwürfe kann es erst im Einzelfall geben, wenn bei einzelnen Tauben „erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden“ nachgewiesen werden können.
SIE sind das eigentliche Problem
„Ich verstehe die Problematik und ich habe auch Verständnis für Leute, die dem kritisch gegenüberstehen“, so Züchter Uwe Stoffel. „Diese schlechten Dinge sind nicht von der Hand zu weisen, die passieren.“ Diese „schlechten Dinge“ sind etwa schlecht ausgebildete Tauben, die sich gar nicht erst auf einen Rückflug machen, sondern sich beispielsweise Stadttauben anschließen oder sich in ungewohnter Umgebung verletzen (z.B. durch Stromleitungen oder Windräder), verhungern oder von Greifvögeln gefressen werden.
Doch die Schuld liegt da meist bei jemand anderem – und da sind sich die Tierschützer und auch der Taubenzüchter einig. „Das sind diese Anbieter, die dann über Ebay Kleinanzeigen, über Instagram, das für einen relativ schmalen Preis anbieten und die auch überhaupt keine Befähigung haben, Tauben zu züchten und mit denen umzugehen“, poltert Stoffel.
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Er gibt seinen Tauben auch zuhause ausreichend Möglichkeiten zum Freiflug – 300 bis 400 Kilometer legen sie dort pro Tag zurück. „Damit die Muskulatur da bleibt und die die Warnsignale der anderen Vögel kennen.“ Da aber natürlich auch dort Greifvögel lauern, betont Stoffel: „Beim Auslassen bei einer Hochzeit setze ich das Tier keiner groß anderen Gefahr aus als zuhause. Das hat nichts mit Tierquälerei zu tun.“
Sein Tipp für Brautpaare: Wenn sie Tauben für ihre Hochzeit haben wollen, sollen sie einen zertifizierten Züchter kontaktieren.