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Wie ein Wirtschaftsflüchtling die Debatte polarisierte

Wie ein Wirtschaftsflüchtling die Debatte polarisierte

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Foto: WAZ FotoPool
Wie stark die Meinungen in der Flüchtlingsfrage polarisiert sind, hat auch unser Interview mit demsyrischen Flüchtling Amer Alsaid gezeigt. Ein Kommentar.

Essen. 

In der Flüchtlingsfrage sind die Meinungen stark polarisiert, das ist bekannt. Wie stark – das haben wir im Rahmen unserer noch laufenden Interviewserie selbst erlebt. Nach der bundesweiten Debatte um den SPD-Ratsherrn Guido Reil („Wir schaffen das nicht“) hat das Interview mit dem selbstbewussten syrischen Flüchtling Amer Alsaid ebenfalls ganz unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. Manche sahen sich in ihrer Ablehnung der herrschenden Flüchtlingspolitik bestärkt, nachdem sie Alsaids kühle ökonomische Abwägungen über seine Flucht nach Deutschland gelesen hatten. Andere meinten, der junge Syrer sei ein Wirtschaftsflüchtling, und als solcher doch gar nicht typisch. Das allerdings ist sehr die Frage. Flucht hat individuell oft mehrere Gründe, und der Wunsch nach einem besseren Leben steht mindestens gleichberechtigt neben einigen anderen, auch wenn das dem etwas romantischen Bild des nur „Schutzsuchenden“ widersprechen mag.

Die Essener Caritas hat diesen Umstand jüngst in einer bemerkenswerten Erklärung bereits so gedeutet, dass auch die Flucht vor „Perspektivlosigkeit und Armut“ ein „Grundrecht“ sei. Das ist juristisch zwar kühn, passt aber genau zur politischen Linie, die viele deutsche Bischöfe, allen voran der Essener Franz-Josef Overbeck, in der Flüchtlingskrise seit langem vertreten.

In Essen dürfte Integration durch Arbeit schwer werden

Dennoch ist das im Asylgesetz selbstredend nicht vorgesehene wirtschaftliche Fluchtmotiv zweischneidig, und das nicht nur, weil es zu Recht weniger Akzeptanz unter den Bürgern genießt. Wir leben ja leider in einer Stadt und einer Region, die selbst jetzt – mitten im Wirtschaftsboom – von hoher Arbeitslosigkeit geplagt ist. Die Sorge der Nord-Ortsvereine der SPD über zuviel Flüchtlinge hängt auch damit zusammen, dass in Essen Integration durch Arbeit zumeist sehr schwer werden dürfte. Neben dem Mangel an geeigneten Jobs, ist dafür die niedrige Qualifikation sehr vieler Flüchtlinge ursächlich.

In Unternehmen, die sich um die Ausbildungsreife junger Neuankömmlinge mühen, ist die erste Euphorie nach der Grenzöffnung rasch verflogen, was aber nicht heißen sollte, in den Anstrengungen nachzulassen. Denn alles spricht dafür, dass die meisten Flüchtlinge bleiben werden, und es wäre eine Katastrophe für den Haushalt der Stadt Essen, wenn hier die nächste „Community“ entstünde, die dauerhaft Hartz-IV-Leistungen beansprucht.

Ersatzweise und für den Übergang soll nun auf Gemeinwohlarbeit gesetzt werden, wie es Sozialdezernent Peter Renzel gerade versucht vorzubereiten. Aber machen wir uns nichts vor: Wenn das ähnlich inkonsequent geschieht wie in ähnlichen Fällen in der Vergangenheit, wird das kaum mehr als eine Beruhigungspille für die Öffentlichkeit.