Zu wenig Kooperation zwischen Ruhrgebietsstädten ist für Wirtschaftsexperte Heinz Lison einer der Gründe für eine schwache Region. Letzter Ausweg wäre für Lison ein Eingreifen der Landesregierung. Denn das Land könne nicht auf Dauer die Defizite der Kommunen im Revier ausgleichen.
Mülheim.
Zwei führende Männer der Wirtschaft machen sich Sorgen: Deutlich sinkende Einwohnerzahlen, fortschreitender Mangel an Fachkräften, erhebliche Verkehrsprobleme, wachsende Konkurrenz und eine dramatische Finanzsituation der Städte – doch abgestimmte Konzepte, Handlungsansätze oder Strategien, wie die Kommunen diesen Trend gemeinsam bekämpfen könnten, fehlten, stellt Dirk Grünewald, IHK-Präsident für Mülheim, Essen, Oberhausen, enttäuscht fest. Eine viel stärkere Kooperation der Städte fordert jetzt auch der Sprecher der regionalen Wirtschaft, Heinz Lison aus Mülheim. Er zeichnet ein düsteres Bild.
„Kein Schulabschluss, keinen Beruf gelernt, keine Sprachkenntnisse, geschweige denn eine Wertebasis – das ist die bittere Realität der neuen ,Unterschicht’ im Ruhrgebiet“, schreibt Lison in der Zeitung des Unternehmerverbandes „unternehmen!“ und fordert von den Städten eine bessere Kooperation auf allen Ebenen, um diese Probleme zu bewältigen. Es könne nicht angehen, dass „Abhängen“ und „Rumhängen“ stilbildend für Stadtteile würden, während gleichzeitig die Wirtschaft über Fachkräftemangel klage.
Finanznot hätte zusammenschweißen müssen
Auch wenn Grünewald bei der Vorstellung der IHK-Strategie 2030 auf einige gelungene Kooperationen verweist, die Hoffnung machen, sieht er Bedarf an einer neuen Gemeinsamkeit. Von der, so glaubt Lison, ist man noch ein ganzes Stück entfernt, weil scheinbar selbst kleinere Projekte stockten: Er verweist etwa auf den benötigten Autobahn-Parkplatz in Speldorf, wo nur zwei Städte, nämlich Duisburg und Mülheim, beteiligt sind, der aber zum „Planungschaos“ führe.
Oder interkommunale Gewerbegebiete – sie seien Objekte jahrelangen Gerangels und nicht Ausdruck der Überzeugung, dass es gemeinsam besser klappen könnte. Der aktuelle Konflikt um den Flughafen Essen/Mülheim gehört dazu. „Nicht eine politische Initiative aus der jüngsten Vergangenheit zu mehr Kooperation ist mir bekannt“, beklagt der Sprecher der regionalen Wirtschaft und sieht nach wie vor ein fortschreitendes Auseinanderdriften der Ruhrgebietsstädte.
Gerade die dramatische Finanznot hätte längst zusammenschweißen müssen. Lison nennt Bereiche wie Personalwesen, Liegenschaftsmanagement oder den Einkauf als mögliche Felder der Zusammenarbeit, um Kosten zu sparen. „Doch statt auf Einsparungen durch Kooperation zu setzen, lenken die Kommunen vom eignen Versagen ab, wie die Debatte über den Solidaritätszuschlag gezeigt hat“.
Hochschulen als Vorbild
Grünewald mahnt einen gemeinsamen Suchprozess der MEO-Städte an, um den Flächenengpass für die Ansiedlung von gewerblichen und industriellen Nutzungen zu meisten. Ein Stück mehr Gemeinsamkeit wäre aus Sicht der IHK auch ein gemeinsames Welcome (Willkommen)-Center der Städte, um einen speziellen Service für Fachkräfte zu bieten.
Es geht auch Lison um Zusammenarbeit bei ganz konkreten Projekten und Aufgaben, die alle weiterbringen. Vorbild könnten für ihn die Hochschulen des Ruhrgebietes sein, die im „Bildungsraum Ruhr“ ihre Kooperation ausbauen.
Wo sind die Stimmen des Ruhrgebiets?
Redet der Wirtschaftsmanager aus Mülheim das Revier schlecht? Keineswegs. Ihm geht es darum, ein Weiter-So zu verhindern. Wenn die Städte eine Wende nicht aus eigener Kraft schaffen sollten, hält Lison auch ein Einschreiten der Landesregierung für sinnvoll. „Das Land kann nicht auf Dauer die Defizite der Kommunen im Revier ausgleichen.“
Für ein starkes Ruhrgebiet muss sich aus seiner Sicht nicht nur die Politik bewegen, sondern auch die Wirtschaft. Wo, fragt Lison mit Blick auf all die Arbeitgeberverbände und Kammern, ist die Stimme der Ruhrgebietswirtschaft, wo die Stimme des Mittelstandes und der Familienbetriebe?