Das Opel-Stammwerk in Rüsselsheim verliert die Fertigung des wichtigsten Modells Astra. Der Kompaktwagen werde ab 2015 nur noch im britischen Werk Ellesmere Port und im polnischen Gleiwitz gebaut, teilte Opel am Donnerstag mit. Angaben zur Zukunft des Opel-Werks in Bochum machte das Unternehmen nicht.
Bochum.
Das Bochumer Opel-Werk ist aus Sicht des Betriebsrats durch den angekündigten Abzug der Astra-Produktion aus Deutschland in seiner Existenz bedroht. Die Aufgabe der Astra-Herstellung in Rüsselsheim und die Verlagerung nach Großbritannien und Polen betreffe direkt Opel in Bochum, sagte der dortige Betriebsratschef Rainer Einenkel am Donnerstag der Nachrichtenagentur dapd. Möglicherweise wolle Opel als Ersatz die Zafira-Herstellung nach Rüsselsheim verlegen. „Das wäre der Todesstoß für Bochum“, erklärte Einenkel. Er verlangte Gewissheit für das Bochumer Werk. „Wir brauchen eine klare Aussage, welche Autos ab 2015 und 2016 hier gebaut werden“, sagte er.
Opel baut sein wichtigstes Modell Astra ab 2015 nicht mehr in Deutschland: Nachdem die Arbeiter im britischen Werk Ellesmere Port dem Sparplan des Managements zugestimmt haben, wird die neue Generation des Kompaktwagens nur noch dort und im polnischen Werk Gleiwitz (Gliwice) gefertigt. Bislang läuft der VW-Golf-Rivale auch im Opel-Stammwerk Rüsselsheim vom Band.
Opel-Betriebsrat und IG Metall kritisieren die Entscheidung
„Das ist keine wirtschaftliche, sondern eine ausschließlich politische Entscheidung“, sagte er der Nachrichtenagentur AFP. Opel habe nur in England mit Gewerkschaften und der Regierung verhandelt – „hinter dem Rücken aller anderen Standorte“. Auch die IG Metall nannte die Entscheidung „falsch“. Die Beschäftigten seien „verärgert und enttäuscht“, erklärte der Leiter des Bezirks Frankfurt, Armin Schild.
„Die Entscheidung für Ellesmere Port wurde durch einen neuen Tarifvertrag ermöglicht, dem die Belegschaft dort gestern zugestimmt hat. Der Tarifvertrag ist für die gesamte Lebensdauer der nächsten Astra-Generation gültig“, erklärte Opel am Donnerstag. Ellesmere Port und Gleiwitz sollen dann im Dreischichtbetrieb voll ausgelastet sein und profitabel arbeiten. Opel will 300 Millionen Euro in die Werke investieren, um sie auf den neuesten technischen Stand zu bringen und die Produktion des neuen Modells vorzubereiten. In Ellesmere Port sollen dadurch rund 700 neue Stellen entstehen.
Die Opel-Mutter General Motors will bei ihrer Europa-Tochter die Kosten kräftig senken, um den Verluste schreibenden Autobauer in die schwarzen Zahlen zu bringen. Voraussetzung für den Bau des Astra in Ellesmere Port war, dass die dortigen Arbeitnehmer Lohnkürzungen, mehr Zeitarbeitern und weiteren Auslagerungen zustimmen. Ein hochrangiger Gewerkschaftsvertreter aus dem Werk in Großbritannien sagte Reuters, „das Management hat gesagt, akzeptiert diese Forderungen oder das Werk wird geschlossen“. 94 Prozent hätten dem Sparpaket dann zugestimmt. Nun habe Ellesmere Port eine Perspektive bis 2020.
Bekenntnis zu Rüsselsheimer Werk
Zur Zukunft des Stammwerks Rüsselsheim, das die Astra-Fertigung verliert, will Opel bald Gespräche mit den Arbeitnehmern aufnehmen. „Opel geht davon aus, dass über die Werke in Ellesmere Port und Gliwice hinaus keine weiteren Produktionskapazitäten für Kompaktfahrzeuge benötigt werden. Dementsprechend wird die Produktion des Astra in Rüsselsheim nach dem Auslauf des jetzigen Modells nicht fortgesetzt werden“, teilte das Unternehmen mit.
Opel-Chef Karl-Friedrich Stracke bekannte sich zum Standort Rüsselsheim: „Ein wettbewerbsfähiges Werk Rüsselsheim spielt eine wichtige Rolle in unserer Wachstumsstrategie.“ Der Vorstand habe den Betriebsrat informiert, dass Rüsselsheim auch nach Auslauf der aktuellen Insignia- und Astra-Modelle voll ausgelastet werden solle. Rüsselsheim ist derzeit das modernste GM-Werk in Europa.
Opel-Betriebsratschef Wolfgang Schäfer-Klug sieht keine Gefahr für den Standort Rüsselsheim. „Wichtig ist, dass das Management einen Plan vorlegt, wie die Vollauslastung von Rüsselsheim sichergestellt werden soll“, sagte er Reuters. Das Werk sei modern und das Management werde für die Auslastung sorgen.
Für das Bochumer Opel-Werk wird es eng
Zur Zukunft des Werks in Bochum äußerte sich Opel nicht. Der Astra-Zuschlag für Großbritannien könnte bedeuten, dass Rüsselsheim als Ausgleich die Produktion des Zafira übernimmt. Das könnte das Aus für Bochum bedeuten, wo der Kompakt-Van derzeit gefertigt wird, wie spekuliert wird.
Am kommenden Montag könnte es bei einer Betriebsversammlung in dem Werk Klarheit zur Zukunft von Bochum geben – an der Versammlung nimmt neben Stracke auch die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft teil. Bei einer Belegschaftsversammlung in Rüsselsheim in der laufenden Woche hatten Krafts Kollegen aus Rheinland-Pfalz und Hessen, Kurt Beck und Volker Bouffier, den Beschäftigten bereits ihre Solidarität versichert.
Dudenhöfer prophezeit Bochumer Opel-Werk das Aus
Das Opel-Werk Bochum steht nach Einschätzung des Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer mit dem verkündeten Abzug der Astra-Produktion aus Deutschland vor dem Aus. Die Entscheidung werde „zu 99,9 Prozent“ zur Schließung von Bochum führen, sagte der Direktor des CAR Center Automotive Research an der Universität Duisburg-Essen am Donnerstag der Nachrichtenagentur dapd.
„Und ich bin nicht sicher, ob es nur Bochum treffen wird“, erklärte er. Opel müsse da jetzt Klarheit schaffen. Die Entscheidung für das britische Werk ist dabei aus Sicht von Dudenhöffer nicht nachvollziehbar. „Ellesmere Port kam wie Phoenix aus der Asche“, sagte er. Das Werk sei eines der ältesten, das der US-Mutterkonzern General Motors in Europa habe.
2016 will Opel wieder Gewinne machen
Opel will mit Einsparungen bis 2016 in die Gewinnzone kommen. Als Hersteller von Autos für den Massenmarkt leidet die Marke mit dem Blitz wie andere Volumenhersteller unter dem massiven Absatzrückgang in Südeuropa und kann ihre Werke kaum beschäftigten. Auf der Agenda des Managements stehen nach Angaben von Arbeitnehmern daher Forderungen nach einem Verzicht auf Lohnbestandteile und längere Arbeitszeiten.
Dadurch will Opel die bereits in der zurückliegenden Sanierung bis 2014 vereinbarten Einsparungen von jährlich 265 Millionen Euro auch weiterhin aufbringen. Zudem soll der Anteil der Leiharbeiter erhöht werden. Bei den Tariferhöhungen, über die die IG Metall derzeit mit den Arbeitgebern bundesweit in der Metall- und Elektroindustrie verhandelt, sollen die Opelaner leer ausgehen. (rtr)