Der Essener Steag-Konzern befindet sich mehrheitlich im Besitz von Stadtwerken aus dem Ruhrgebiet. Ist es gut, wenn dieser Konzern im großen Stil Geschäfte im Ausland macht – in Indien, Brasilien und Kolumbien zum Beispiel? Aus der Politik gibt es auch Kritik. Die Steag aber will das Geschäft in der Ferne ausbauen.
Dortmund/Essen.
Indien, Brasilien, Kolumbien und die Philippinen – der Stadtwerke-Konzern Steag macht im großen Stil Geschäfte in der Ferne. Handelt es sich dabei um gefährliche Abenteuer oder eine kluge Strategie? Eine kritische Nachfrage, ob Stadtwerke Kraftwerke in aller Welt betreiben müssen, sei durchaus berechtigt, merkte NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) kürzlich an. Er habe seinen Worten nichts hinzuzufügen, ließ der Minister nun noch einmal ausrichten. Steag-Chef Joachim Rumstadt jedenfalls verteidigt die Strategie des Stadtwerke-Unternehmens. Er will das Geschäft in der Ferne sogar ausbauen.
„Es gibt keinen guten Grund, unsere Auslandsaktivitäten infrage zu stellen. Im Gegenteil: Wir wollen uns neue Märkte erschließen, ich denke beispielsweise an Rumänien“, sagte Rumstadt im Gespräch mit dieser Zeitung. Auch in Asien will der Stadtwerke-Konzern Präsenz zeigen. „Allein in Indien zählen wir schon fast 1000 Mitarbeiter“, berichtete der Steag-Chef. Die Gewinne der Steag im Ausland seien teilweise höher als im Inland.
Da Ökostrom vorrangig ins Netz eingespeist wird, geraten auch die heimischen Kohle-Kraftwerke der Steag unter Druck. „Es ist bekannt, dass der Betrieb von Steinkohlenkraftwerken in Deutschland nicht gerade leichter geworden ist“, sagte Rumstadt. „Umso wichtiger ist eine starke Säule im Ausland.“
Steag mehrheitlich im Besitz von Stadtwerken aus dem Ruhrgebiet
Das Thema ist brisant, da sich der Essener Konzern mehrheitlich im Besitz mehrerer Kommunen aus dem Ruhrgebiet befindet. Die Stadtwerke Essen, Bochum, Duisburg, Dinslaken, Oberhausen und die kommunalen Dortmunder Betriebe DSW 21 und DEW 21 sind mit insgesamt 51 Prozent an Deutschlands fünftgrößtem Energieversorger beteiligt. 49 Prozent der Anteile liegen beim Essener Konzern Evonik. In Deutschland betreibt die Steag elf Kraftwerke und mehr als 200 kleinere Anlagen. Drei große Steag-Kraftwerke befinden sich im Ausland – in Kolumbien, der Türkei und auf den Philippinen. Mit Firmen in Indien, Brasilien, der Türkei, der Schweiz und den USA will die Steag ihre Ingenieur-Kompetenz vermarkten. Im Jahr 2011 erzielte der Konzern mit rund 5800 Mitarbeitern einen Umsatz von 3,1 Milliarden Euro.
Aufgrund der kommunalen Beteiligung steht die Steag unter besonderer Beobachtung. „Ich empfinde es als unverantwortlich, wenn städtische Unternehmen, im großen Stile im Ausland Geschäfte machen. Das ist nicht der Auftrag kommunaler Unternehmen“, sagt beispielsweise der FDP-Wirtschaftspolitiker Dietmar Brockes. „Insbesondere vor dem Hintergrund der klammen Haushalte der Ruhrgebietskommunen ist das Risiko für die Bürgerinnen und Bürger unkalkulierbar. Der Kauf der Steag ist nahezu vollständig über Kredite finanziert, gehen die Geschäfte schief, ist das Geld der Bürgerinnen und Bürger verzockt.“
Wer den Anteil von Evonik bekommt, soll im Sommer klar sein
Aus Sicht von Steag-Aufsichtschef Guntram Pehlke überwiegen die Vorteile des Auslandsgeschäfts. „Wenn die Steag im Ausland gutes Geld verdient, profitieren davon auch die inländischen Standorte“, argumentiert Pehlke, der auch Chef der Dortmunder Stadtwerke DSW 21 ist. Bedenken, der Steag-Kauf sei für die Kommunen eine Nummer zu groß, weist Pehlke zurück: „Wer behauptet, die Stadtwerke hätten sich mit dem Kauf der Steag übernommen, verkennt die Realitäten.“ Viel hängt nun davon ab, was mit dem 49-Prozent-Anteil geschieht, den der Evonik-Konzern abgeben will. „Wir wollen uns bis zum Sommer für einen Partner entscheiden“, kündigte Pehlke an.
Ob die Steag-Anteile in kommunale Hand gelangen oder ein privater Investor einsteigt? „Unser neuer Partner sollte Kapital einbringen, um die Geschäfte der Steag im In- und Ausland weiterzuentwickeln“, sagt Pehlke dazu.