Mülheim.
Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hat seine Kritik am Zustand des Ruhrgebiets erneuert. Das Revier verstehe es immer noch nicht, seine Stärken zu bündeln und als Einheit aufzutreten. „Wir brauchen aber im internationalen Wettbewerb eine geballte Ladung Ruhrgebiet“, sagte der Politiker vor rund 300 Zuhörern in der Katholischen Akademie „Die Wolfsburg“ in Mülheim.
Lammert hatte im vergangenen Jahr im WAZ-Interview gesagt, dass die Region ihre „Lebenslügen“ pflege und weit unter ihren Möglichkeiten bleibe. Mit seiner Kritik löste er damals eine heftige Debatte aus. In Mülheim legte der Ehrenvorsitzende der CDU Ruhr nun noch einmal nach. Es fehlten „gemeinsame Systeme“, die eine so große Städteregion aber dringend brauche. „Wir haben fast mehr Verkehrsgesellschaften als Fußballvereine. Das ist ein unglaublicher Anachronismus“, sagte Lammert. Künftige Förderzusagen sollten auch davon abhängen, ob es dem Revier gelinge, ein regionales Verkehrssystem aufzubauen.
Weder die Landesregierungen noch die Oberbürgermeister der Städte hätten je den Willen gehabt, die „geballte Ladung Ruhrgebiet“, die so nötig sei, entstehen zu lassen. Das Land fürchte die Konkurrenz eines mächtigen Reviers, und die Stadtspitzen hätten „kein Interesse daran, die Gesamtverantwortung für die Region an einen Oberindianer abzugeben“. Der aber sei nötig. Das Ruhrgebiet brauche als „größte deutsche Stadt“ einen Repräsentanten, um in Berlin und Düsseldorf wahrgenommen zu werden.
Die jüngste Aufwertung des Regionalverbandes Ruhr (RVR) sei laut Lammert viel zu „zögerlich“ und „halbherzig“ vorgenommen worden. Und die nun wieder aufgenommene Suche nach einem „Slogan“ für das Ruhrgebiet könne auch dazu führen, dass notwendige Reformen nicht durchgeführt werden. „Slogans können Veränderungen vortäuschen, die es gar nicht gibt. Das Marketing kann nicht die Schwächen des Produkts ersetzen“, sagte Lammert unter Beifall.
Als herausragende Beispiele für regionale Zusammenarbeit nannte Lammert das international bekannte Klavierfestival Ruhr sowie die Kulturhauptstadt Ruhr 2010. „Diese Aktionen zeigen, was eine Region mit ihrem Potenzial leisten kann.“
Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck forderte in Mülheim ebenfalls einen „Mentalitätswechsel“ hin zu mehr Zusammenarbeit ein. Dazu gehöre die Bereitschaft der politisch Verantwortlichen, „Macht abzugeben“. Thomas A. Lange, Co-Moderator des Initiativkreises Ruhr, erinnerte daran, dass sich regionale Imageprobleme als Investitionshemmnis erweisen könnten. Die „Schlusslicht-Debatte“ über das Ruhrgebiet dürfe aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es an der Ruhr zahlreiche erfolgreiche kleine und mittelständische Unternehmen gebe.