Essen/Mülheim/Moskau.
Die Absage Russlands an das gigantische Gaspipeline-Projekt „South Stream“ durch Südosteuropa hat weitreichende Konsequenzen für die Energieversorgung Europas. Darüber hinaus wurden die deutschen Partner und Zulieferer des milliardenschweren Vorhabens kalt erwischt. Die Belegschaft der Mülheimer Röhrenwerke Europipe könnte sogar bald zu den großen Verlierern der politischen Spannungen zwischen Russland und dem Westen gehören. Die Produktion in Mülheim steht und fällt mit South Stream. Entsprechend groß ist die Verunsicherung unter den knapp 1500 Beschäftigten.
„Keiner weiß, was kommt. Die Stimmung ist im Keller“, so Europipe-Betriebsratschef Frank Schulz gestern im Gespräch mit der NRZ. Beim Mutterkonzern Salzgitter wollte man sich an Spekulationen über die Zukunft der Röhrenfertigung nicht beteiligen und verwies auf die bestehenden Verträge mit „South Stream“. „Bisher liegt uns keine Kündigung der Abmachung vor“, sagte ein Unternehmenssprecher auf Nachfrage.
Europipe – ein gemeinsames Unternehmen der Salzgitter AG und der Dillinger Hütte – hatte sich im Januar gegen eine Konkurrenz von sieben internationalen Konsortien durchgesetzt und den Auftrag zur Fertigung von insgesamt 450 000 Tonnen Großrohre an Land gezogen.
Kritik an Bulgarien
Noch läuft die Produktion für den ersten 600-Kilometer-Strang der insgesamt 2380 Kilometer langen Leitung unvermindert. Röhren aus dem Ruhrgebiet für russisches Gas, das durch das Schwarze Meer nach Bulgarien und von dort über Serbien bis nach Westeuropa gepumpt werden sollte – das war der Plan. Der russische Großauftrag für die Gaspipeline hatte erst Anfang des Jahres endlich die Kurzarbeit in Mülheim beendet und die Beschäftigung des Europipe-Werkes bis zum nächsten Frühjahr gesichert. Auch die Mülheimer Grobblech-Walzwerke sollten von dem Projekt profitieren.
Am späten Montag Abend hatte Russlands Präsident Wladimir Putin überraschend bekanntgegeben, dass Russland seine Pläne für den Bau der Erdgasleitung aufgibt. Der Kremlchef kritisierte, dass sich vor allem Bulgarien bei dem Projekt auf Geheiß der Europäische Union querstelle. Ursprünglich sollte „South Stream“ eine Alternative sein für das sanierungsbedürftige ukrainische Gasnetz.