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Rot-Grün will Rauchverbot in Gaststätten ohne Ausnahme

Rot-Grün will Rauchverbot in Gaststätten ohne Ausnahme

SPD und Grüne verhandeln über den neuen Koalitionsvertrag. Einige Details sind schon bekannt. So will Rot-Grün den Nichtraucherschutz drastisch verschärfen. Änderungen soll es auch bei den verkaufsoffenen Sonntagen geben. Ein Überblick

Düsseldorf. 

SPD und Grüne unternehmen einen neuen Anlauf, um den Schutz von Nichtrauchern in NRW drastisch zu verschärfen. Vor Beginn ihrer Koalitionsgespräche am Dienstag zeichnet sich ab, dass künftig auf Ausnahmen vom Rauchverbot in Gaststätten verzichtet werden soll. „Nur durch einen konsequenten Nichtraucherschutz werden Wettbewerbsverzerrungen vermieden“, sagte Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) der WAZ-Mediengruppe, „nur eindeutige Regelungen bieten die Gewähr, Missverständnisse auszuschließen.“

Auch Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hatte kurz vor der Landtagswahl eine „klare Regelung“ nach bayrischem Vorbild gefordert. Sie wies darauf hin, dass in Bayern das befürchtete Kneipensterben ausgeblieben sei, und sprach sich für einen „fairen Wettbewerb“ unter den Gastwirten aus: „Es kann nicht sein, dass bei dem einen geraucht werden kann und bei dem anderen nicht.“

Rot-Grün will Ladenschluss nicht antasten

In der SPD gibt man außerdem zu bedenken, dass rechtliche Spielräume für Ausnahmen von einem totalen Rauchverbot „sehr eng“ seien. Laut Steffens bietet das geltende Gesetz „zu viele Schlupflöcher und ist teilweise nicht eindeutig formuliert“. Damit dürften Forderungen von Teilen der SPD-Basis in NRW, Eckkneipen oder Schützenfeste von einer strikten Regelung im Gesetz auszunehmen, keinen Erfolg haben.

Bei der geplanten Neufassung des Ladenschlussgesetzes will Rot-Grün dagegen die geltenden Öffnungszeiten unter der Woche nicht antasten. Auch künftig sollen Geschäfte rund um die Uhr öffnen können.

Jedoch wollen beide Seiten die „Aushöhlung“ des Sonn- und Feiertagsschutzes korrigieren, um einen „fairen Ausgleich“ zwischen Kunden, Beschäftigten und Wirtschaft zu finden. Deshalb soll die Zahl der verkaufsoffenen Sonntage reduziert und möglichst mit einem konkreten Anlass – etwa einer Kirmes – verknüpft werden. Die Grünen schlagen zudem vor, dass die Geschäfte samstags bereits um 20 Uhr schließen sollen.

Koalitionsvertrag schneller und harmonischer

Die Gespräche verliefen zäh und schleppten sich über sechs Wochen hin. Mehrfach standen sie kurz vor dem Abbruch. Ein entnervter Johannes Rau verließ immer wieder den Verhandlungsraum, während wütende Braunköhler gegen die verhassten Grünen demonstrierten, die den Tagebau Garzweiler II verhindern wollten. Am Ende stand ein Vertrag voller Formelkompromisse. Das war 1995. Verglichen mit der holprigen rot-grünen Premiere in NRW dürften sich die Delegationen, die ab Dienstag über die Fortsetzung ihrer Koalition reden, vorkommen wie in einem Streichelzoo.

Diesmal soll alles viel schneller und harmonischer gehen als bei den Partnern wider Willen, die sich damals in der Bonner NRW-Vertretung zusammenraufen mussten. Schon Mitte Juni sollen zwei Parteitage die Ergebnisse absegnen, ehe Hannelore Kraft als Ministerpräsidentin am 20. Juni im Landtag wiedergewählt wird. Soweit der Fahrplan.

Stichwort: Finanzpolitik 

Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD), der seinen Job auch in der neuen Regierung sicher hat, wird in den nächsten drei Wochen besonders gefragt sein. Die Schuldenbremse mit der Vorgabe, spätestens 2020 keine neuen Kredite mehr aufzunehmen, wird zum wichtigsten Maßstab. Bis 2017, dem Ende der Legislaturperiode, will Krafts Finanzchef die Neuverschuldung auf unter zwei Milliarden Euro drücken. Die Instrumente und Wege zum Sparziel müssen im rot-grünen Vertrag skizziert werden.

Grobe Vorschläge liegen auf dem Tisch. Ein „Effizienzteam“ hat seit einem Jahr den Haushalt durchleuchtet und auf Bereiche untersucht, von denen sich das Land trennen könnte. Auf dem Prüfstand stehen auch sieben Landesbetriebe wie IT.NRW oder der skandalumwitterte Bau- und Liegenschaftsbetrieb. In der SPD diskutiert man, ob Straßen.NRW künftig noch eine Neubau-Abteilung in der jetzigen Form benötigt, obwohl die Koalition beim Straßenbau ganz auf Erhalt setzen will.

Von den Grünen kommt der Vorschlag, Landeszuschüsse weitgehend nur noch als Darlehen zu gewähren. Alle Förderprogramme sollen auf ihre „Sinnhaftigkeit“ überprüft, mögliche Doppel-Finanzierungen abgestellt werden. Das selbst für Experten undurchschaubare Dickicht der Städtebau-Förderung oder die vielen Programme für den Übergang von der Schule in den Beruf will Rot-Grün lichten. Über allem steht die geplante eigene Schuldenbremse in der Landesverfassung – verknüpft mit der Bedingung, dass nicht die Kommunen am Ende dafür finanziell bluten müssen.

Stichwort: Klimaschutz, Kindergärten, Schule und Inneres 

In der Energiepolitik stand das Klimaschutzgesetz kurz vor der Verabschiedung im Landtag, als es zu Neuwahlen kam. Es schreibt fest, CO2-Emissionen bis 2020 um 25 und bis 2050 um 80 Prozent (gemessen am Ausstoß 1990) zu reduzieren. Das Gesetz müsste neu vom Kabinett beschlossen werden. Umstritten ist der Bau neuer Kohlekraftwerke. Während Grünen-Landeschefin Monika Düker „keinen Bedarf“ sieht, verlangt SPD-Generalsekretär Michael Groschek eine „Ausbauperspektive“. In NRW sind Gas- und Kohlekraftwerke mit einer Investitionssumme von 6,5 Milliarden Euro im Bau. Anträge für weitere Kohlemeiler gibt es derzeit nicht.

Stichwort: Kindergärten

Auch der Kindergartenbereich bietet Konfliktstoff. Die Grünen sehen „keinen Spielraum“ für weitere Kita-Jahre zum Nulltarif, die SPD will den Gratis-Besuch dagegen „schrittweise“ ausbauen. Außerdem muss bei der Kleinkind-Betreuung der Rechtsanspruch umgesetzt werden, was auch SPD-Kommunalpolitiker für ein fast aussichtsloses Unterfangen halten. Bis 2013 müssten weitere 44000 U3-Plätze entstehen.

Stichwort: Schule

In der rot-grünen Schulpolitik galt bisher der Grundsatz, dass Lehrerstellen, die durch rückläufige Schülerzahlen frei werden, „im System“ bleiben, um die Qualität zu verbessern. Die SPD überlegt, solche „Demografiegewinne“ zum Teil in andere Bildungsbereiche wie Kindergärten oder Hochschulen umzulenken. Nach Zahlen des Schulministeriums sinkt der Grundbedarf an Lehrerstellen in NRW bis zum Schuljahr 2015/16 um 7700. Bis 2023 sind es grob geschätzt sogar 18.500.

Stichwort: Innenpolitik

Im Innenbereich will die Koalition niedrigere Hürden für Volksentscheide durchsetzen, die Grünen wollen das Wahlalter bei Landtagswahlen auf 16 Jahre senken. Beides erfordert eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag und die Suche nach Partnern in der Opposition. Strittig ist bei der Verbrechensbekämpfung die Vorratsdatenspeicherung. SPD-Innenminister Ralf Jäger fordert längeren Zugriff auf Telefondaten und Mailkontakte – aus Sicht der Grünen sind das nur „Überwachungsphantasien“. Doch Stoff für einen handfesten Koalitionskrach bietet das kaum. Denn entschieden wird in Berlin.