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Das Fest der Roma

Das Fest der Roma

Dortmund. 

Sie sind die, „die klauen, ihren Dreck auf die Straße schmeißen und unseren Sozialsystemen auf der Tasche liegen”. Soweit die gängigen Vorurteile gegenüber den Roma, die Ricarda Erdmann da aufzählt. Die Fachfrau für Integration bei der Dortmunder Arbeiterwohlfahrt weiß, wie ihre Stadt deshalb leidet, besser aber noch, wie die Zuwanderer leiden. Dortmund machte es deshalb am Wochenende einmal anders: Es feierte seine Roma auf dem Nordmarkt mit einem Festival, statt sie zu fürchten.

Angekommen sind sie in der Fremde

Gerade haben Nadia und Fabian Lazar-Ion noch erzählt, wie „sehr, sehr schwer” es war, in dieser Dortmunder Fremde anzukommen, wo sie zu elft in der Wohnung der Schwester wohnten, weil sie keine eigene fanden. Wo sie in den Geschäften schief angeschaut wurden, „jeder hat doch gleich den Verdacht, wir sind zum Stehlen hier”, sagt Nadia. Die war schwanger damals, „du kannst doch in Deutschland kein Kind kriegen als Zigeunerin”, hat man sie gewarnt.

Jetzt aber leuchten Nadias Augen, sie freut sich über dieses Fest, das Dortmund ein „Willkommensfest” nennt, sie wird singen in ihrem bunten Rock, mit den bunten Bändern in den Zöpfen. Den ganzen Nachmittag klingt „Gypsy-Musik” über den Nordmarkt, die beweisen soll, „wie groß unsere Lebensfreude ist trotz aller Sorgen”; natürlich tanzen sie hier, wo die Menschen aus Südosteuropa jetzt wohnen, 6000 sollen es sein.

Lustig ist das Zigeunerleben?

Natürlich ist es das nicht. Ricarda Erdmann erlebt „antiziganistische Vorurteile, die mich zutiefst erschüttern”. Die klauen, die schmeißen mit Müll, die wollen sich nicht integrieren, hört sie, dabei „bringen sie wunderbare Kulturen mit zu uns”. Nun ist die AWO-Frau keine, die Probleme „verniedlichen” würde, sie weiß, dass manches wahr ist, was die Leute reden.

Nadia und Fabian, Eltern zweier Kleinkinder, sagen es ja selbst: „Ich liebe mein Volk”, sagt die 31-Jährige, „aber ich hasse, was einige machen”. Fabian geht jetzt immer hin, wenn einer seinen Müll nicht ordentlich in die Tonne wirft, „ich frage, warum machst du das?“ Sie glauben, es liegt an der Erziehung, an fehlender Bildung, aber auch am fehlenden Vertrauen. „Der Wandel muss von innen kommen”, sagt Fabian, 39, er meint, beide Seiten müssen sich begegnen.

Was sie ja versuchen bei diesem Festival: Vier Tage lang haben sie miteinander Roma-Filme gesehen, Roma-Musik gehört, Theater gespielt und geredet, geredet, geredet. Und es war anders als sonst bei „Gypsy”-Konzerten, sagt Ricarda Erdmann: „Da tanzen die Menschen und fühlen sich liberal, aber als Nachbarn wollen sie die Roma immer noch nicht haben.”

Sie glaubt, die Veranstaltung, zu der tatsächlich viele Roma kamen, habe Vorbehalte abgebaut. Wenigstens war es das, was auch die Lazar-Ions wollten: „Zeigen, dass wir uns integrieren können, anpassen, dass wir unsere Kinder zur Schule schicken, dass wir unsere Nachbarn respektieren…”.

Die Rumänen, die Bulgaren

Fabian hat alle seine Hoffnungen in dieses Fest gesetzt, mehr wohl, als es leisten kann, er sieht es selbst: „Da sitzen die Rumänen”, hat er gesagt, als er auf den Nordmarkt kam, und dort, in der anderen Bankgruppe, „die Bulgaren”. Der Rumäne selbst gehört jetzt zur AWO, sie haben ihm dieses T-Shirt übergezogen für Mitarbeiter: „Einer von den Guten”. Trotzdem wird auch er später hitzig, als auf der Bühne Nadia versucht zu singen. Die Jugend will das nicht hören, man kann nicht tanzen dazu, es gibt Streit unter den Roma. Und die, „die ihre Kinder wirklich zum Klauen schicken”. Nadia weiß ja, dass es die gibt, „die sind natürlich gar nicht erst gekommen”.