In der U21 spielt ein Weltmeister, ein Champions-League-Sieger – und Philipp Hofmann. Mit EM-Toren will der Sauerländer aus dem Schatten treten.

Hagen/Prag. 

An dem Abend kommen die Gedanken wieder auf. Philipp Hofmann sitzt auf einer langen Bank, wie es sie in Bierzelten gibt, an einem Tisch, wie es ihn in Bierzelten gibt. Auf dem eigens herangeschafften Fernseher im Garten des Hotels in Leogang laufen Bilder aus Berlin, vom Finale der Champions League. Es ist der Abend an dem Marc-Andre ter Stegen den größten Titel des europäischen Vereinsfußballs gewinnt. Der Torwart ist Hofmanns Mannschaftskollege. Nicht beim ruhmreichen FC Barcelona, sondern in der U21-Nationalmannschaft. Deshalb ja diese Gedanken.

„Wenn man sieht, wo die alle spielen, dann fragt man sich manchmal schon, ob man da mithalten kann“, sagt der Stürmer vor der nun beginnenden Nachwuchs-EM in Tschechien (17. – 30. Juni).

Hofmann traf in 15 U21-Spielen neunmal

Es ist nicht so, als wenn den 22-Jährigen größere Selbstzweifel plagten. Aber er befindet sich nunmal in einem erlesenen Zirkel bei der U21, die sich in Leogang in Österreich auf das Turnier vorbereitete und gemeinsam das Champions-Legaue-Finale schaute. Im TV: ter Stegen. Um Hofmann herum: Junge Männer, deren bisherige Karrieren eindrucksvoll klingen. Feste Größen bei Spitzenvereinen sind u.a. Max Meyer bei Schalke 04, Bernd Leno bei Bayer Leverkusen, Kevin Volland bei 1899 Hoffenheim oder Julian Korb bei Borussia Mönchengladbach. Matthias Ginter von Borussia Dortmund darf sich Weltmeister nennen. Robin Knoche und Maximilian Arnold wurden gerade mit dem VfL Wolfsburg Vize-Meister und Pokalsieger. Emre Can spielt für den traditionsreichen FC Liverpool.

DFB-JuniorenUnter ihnen mutet Philipp Hofmann vom Zweitligisten 1. FC Kaiserslautern auf den ersten Blick wie eine kleinere Nummer an. Doch in der Talent-Nationalmannschaft ist der Hüne aus dem Mescheder Ortsteil Wenholthausen der Tor-Riese. 15 Spiele, neun Tore. „Wenn ich diese Quote im Verein hätte, wäre alles gut“, sagt er.

Hat er aber nicht. In Kaiserslautern zählte er zumindest in der Rückrunde zu jenen Spielern, auf die Trainer Kosta Runjaic zumeist setzte. Doch den angepeilten Aufstieg in die Bundesliga verpassten die Roten Teufel. Nun droht die junge Mannschaft auseinanderzufallen: Dominique Heintz geht zum 1. FC Köln, Kerem Demirbay zum Hamburger SV, Jean Zimmer womöglich zu RB Leipzig.

Schalke hat Rückkaufrecht für Hofmann

Und Hofmann? Es zieht ihn nicht fluchtartig fort aus Kaiserslautern, aber er weiß, welche Chance sich ihm in diesem Sommer bei der U21-EM bietet. Scouts aus aller Welt werden in Tschechien sein. Es ist ein Schaufenster. Und für Stürmer, die treffen, gibt es immer einen Markt. Auch wenn Hofmann ein Angreifer ist, wie er im modernen Fußball gerade auszusterben scheint: wuchtig, kantig, kopfballstark. „In der Nationalmannschaft kriege ich die Dinger auf den Fuß, wie ich sie brauche. In der zweiten Liga muss man sich mehr erarbeiten, das ist eine Kämpferliga“, erklärt er seine unterschiedlichen Quoten. Dann sagt er: „Ich muss den Schritt bald machen in die erste Liga. Wenn ich bei der EM erfolgreich bin, wird man auf mich zukommen.“

Sein Vertrag in Kaiserslautern läuft bis 2017, aber der FC Schalke, wo er in der Jugend erfolgreich spielte, hat ein Rückkaufsrecht. Andre Breitenreiter heißt dort der neue Trainer. Er kann Talente entwickeln. Das hat er beim SC Paderborn gezeigt. Dort heuerte er 2013 an, als Hofmann gerade Ostwestfalen verließ.

Deutschland einer der Favoriten

Die Chancen, dass Hofmann bei der Europameisterschaft erfolgreich sein wird, sind gar nicht schlecht. Deutschland geht als einer der Favoriten ins Turnier. Und Trainer Horst Hrubesch, den sie einst das Kopfball-Ungeheuer nannten, setzt auf Hofmann. Weil er ihn gut findet. Weil er in ihm sich selbst sieht: Einen Stürmer, der Gegenspieler nicht in der viel zitierten Telefonzelle ausspielen kann, der aber jederzeit bereit ist, die Telefonzelle ins Tor zu köpfen.

Der Trainer hat seinem fußballerischen Ziehsohn bereits gesagt, dass er an ihn glaube, dass er sogar das Zeug habe, Torschützenkönig dieser EM zu werden. Dann würden sich möglicherweise Türen zu Welten öffnen, die Philipp Hofmann erobern möchte. Welten, in denen die Gedanken aus Leogang keine Rolle mehr spielen.