Ottilie Scholz wird am heutigen Montag 65 Jahre alt. Im Interview mit der WAZ lässt Bochums OB die letzten zehn Jahre ihrer Amstzeit noch einmal Revue passieren. So sei ihr neben der Nokia-Krise unter anderem der Aktionstag zu Opel 2004 besonders im Gedächtnis geblieben.
Bochum.
Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz wird am heutigen Montag 65 Jahre alt. WAZ-Redakteur Thomas Schmitt sprach vorab mit der SPD-Frau über Opel, die Zukunft der Stadt, Bürgerbeteiligung und die Möglichkeit, 2014 vorzeitig aus dem Amt auszuscheiden.
Der Uni Jena zufolge waren viele Chefs in ihrer Jugend Rabauken. Sie auch, waren Sie gar aufmüpfig?
Ottilie Scholz: Aufmüpfig? Nein, aber ich war schon gegen manche Sachen. Ich habe 1967 Abitur gemacht und bin dann zum Studium nach Heidelberg. Es war die Zeit der Studentenunruhen und dort passierte viel, man gehörte dazu.
Hätten Sie in den Gesprächen mit Opel nicht öfters mal den Rabauken geben und kräftig auf den Tisch hauen sollen?
Scholz: Ich bezweifle, ob man mit auf den Tisch hauen etwas bewirkt. Im Grunde wollen wir ja gemeinsam etwas machen, dafür steht auch die Gesellschaft Bochum Perspektive 2022. Es geht aber alles unheimlich langsam, das finde ich lästig und ärgerlich. Wir können uns als Stadt ohnehin nur um eine politische Willensbildung kümmern, die letzte Entscheidung wird eine unternehmerische sein, da ist man als Stadt einflusslos. Das haben wir bei Nokia erlebt. Das Werk wurde trotz massiver Proteste und großer Solidarität geschlossen.
Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Opel meisterhaft Hinhaltetaktiken beherrscht.
Scholz: Das kann man so sehen, ich frage mich nur: Wohin wollen uns die hinhalten? Man wird sehen, wie die Versprechen umgesetzt werden. Ich erwarte, dass bis Ende des Jahres endgültige Entscheidungen getroffen werden.
Stand heute wird 2016 ein schwieriges Jahr. Das Aus für Opel – spätestens – ist beschlossen und für das ehemalige Thyssen-Edelstahlwerk läuft die Bestandsgarantie des neuen Eigentümers Outokumpu ab.
Scholz: Wir haben schwierige Entwicklungen vor uns, wie in der Vergangenheit auch. Wir haben aber immer alternative Lösungen gefunden, die auch eine Perspektive für die Zukunft eröffneten. Stichwort: Gesundheitscampus. Was dort passiert, ist klasse. Auch der Biomedizinpark hat einen großen Schub bekommen. Und Einrichtungen wie die Aesculap Akademie, die Schule für Physiotherapeuten und die Hochschule für Gesundheit zeigen, dass dort etwas wächst, dass sich Synergien entwickeln. Wie das bei Outokumpu wird, muss man abwarten. Es spielt sicher eine Rolle, wie andere Standorte organisiert werden, da spielen Fragen des Kartellrechts eine Rolle, die wiederum die Situation in Bochum verbessern könnten. Die Lage ist nicht rosig, aber ich will nicht Dinge in den Sand zeichnen, die noch nicht absehbar sind.
Die Diskussion um die großen Arbeitgeber ist omnipräsent, eine mindestens ebenso starke Stütze der Bochumer Wirtschaft ist der Mittelstand, oder?
Scholz: Ja, da gibt es mehrere Schwerpunkte. Maschinenbau ist ganz wichtig. Eickhoff, Heintzmann, Bochumer Verein – es gibt viele kleinere Bereiche, viele kleine Unternehmen mit guten Jobs. Ingenieurbetriebe im Technologiepark, Ausgründungen aus der Uni mit 80 Leuten, die sich zusammentun. Die Felder E-Mobilität, Geothermie, IT-Sicherheit. Wir haben nach wie vor mehr industrielle Arbeitsplätze als andere: Dortmund hat 12 Prozent, in Bochum sind wir noch bei 20 Prozent, vieles entwickelt sich hier aus traditioneller Branchenzugehörigkeit. Das hat Zukunft.
Die Stadt steckt im Umbruch, Sie wollten Bürger dabei einbinden. Nach der Konferenz zum Haushalt 2012 ist aber nichts mehr passiert.
Scholz: Die Konferenz 2012 war gut. Trotzdem waren Bürger enttäuscht, weil nichts direkt entschieden wurde. Aber wir können ja den Rat nicht aushebeln oder ersetzen. Ich möchte auch in diesem Jahr noch eine Veranstaltung machen – entweder zum Thema familiengerechte Kommune oder zu Univercity.
Bürgerbegehren in Bochum sind stets gescheitert: Cross Border, Gymnasium am Ostring, Musikzentrum. Kritiker sagen, Sie meinen es nicht ernst mit Bürgerbeteiligung.
Scholz: Das ist Blödsinn. Bürgerbeteiligung kann sich nicht auf Bürgerbegehren reduzieren. Wenn ich sehe, wie da manchmal zu hoch differenzierten Themen diskutiert wird und dass man nur Unterschriften von Leuten haben will. Bürgerbeteiligung muss nach vernünftigen Regeln laufen und es muss der Wille da sein, zuzuhören und wechselseitige Positionen stehen zu lassen. Ich bin viel in der Stadt unterwegs und komme mit den Leuten ins Gespräch. Das ist auch eine Art Bürgerbeteiligung.
2014 sind Sie zehn Jahre im Amt. Was waren bis heute ihre schlimmsten oder schönsten Erfahrungen?
Scholz: Natürlich die Krisen bei Opel und Nokia. Ich erinnere mich noch sehr gut an den Aktionstag zu Opel 2004. Da waren 20.000 Leute vor dem Schauspielhaus – ich war erst drei Tage im Amt. Ein anderes Beispiel ist die Absage zur Loveparade. Der Vorwurf wir seien provinziell. Ein Jahr später nach der Katastrophe in Duisburg haben sich viele im Nachhinein bei mir entschuldigt. Die Diskussion um den Atriumtalk war am allerschlimmsten. Man konnte keine klare Linie entwickeln, weil es immer jemanden gab, dem man noch Gelegenheit geben musste, seine Sicht deutlich zu machen. Da war ich hart an der Kante.
Gab es nichts rein Positives?
Scholz: Doch, meine Super-Party zum 60. Schön war auch, als ich mit Michael Townsend und Diane Jägers in Düsseldorf den Bewilligungsbescheid zum Musikzentrum in Händen hielt. Und natürlich die Genehmigung des Haushaltes 2012.
Mit 65 gehen Menschen ihres Jahrgangs normalerweise in Rente. Sie sind bis 2015 gewählt, könnten aber 2014 aufhören. Bis zum 30. November müssten Sie sich erklären.
Scholz: Ich werde ernsthaft darüber nachdenken. Tatsache aber ist, dass die Bürger mich bis zum Jahre 2015 gewählt haben.
Ich habe gehört, die Partei drängt Sie zum vorzeitigen Verzicht.
Scholz: Das stimmt nicht. Mit Vertretern der Partei ist besprochen, dass wir uns die Zeit lassen. Ich habe noch nichts entschieden, ich schiebe es auch weg. Ich werde aber nicht jünger. Nächstes Jahr bin ich 66, dann 67. Plus fünf, dann ist man 72. Na ja, mehr sage ich nicht dazu.
Heißt das, eine Wiederwahl werden Sie auf keinen Fall anstreben?
Scholz: Kein Kommentar.