Der Flächenbedarf von Opel nach dem Ende der Autoproduktion im Dezember 2014 bleibt ungewiss. Doch mittlerweile wird viel spekuliert. Bochums Wirtschaftsförderer Heinz-Martin Dirks bringt neue Variante ins Spiel: Opel könnte am Werk II sein Warenverteilzentrum ganz neu bauen.
Bochum.
Opel lässt sich nicht drängeln. So sehr Bochums Lokalpolitiker auch fordern, der Autobauer möge sich schnell und genauer über seine Absichten auf dem Gelände seines jetzigen Werks II erklären; eine Antwort bleiben die Verantwortlichen bislang schuldig. Auch Opel-Vorstand Ulrich Schumacher verlor am Donnerstag in der Ratssitzung kein Wort darüber. Im April könnte es so weit sein, heißt es. Es sind vage Vermutungen.
So schießen nach der plötzlichen Ankündigung des Unternehmens, für den Ausbau seines Warenverteilzentrums (Werk III) nun auch noch Teilflächen von Werk II zu benötigen, die Gerüchte ins Kraut. Sie reichen von Spekulationen über den kurzfristigen Sinneswandel bis zu Zweifeln an der Beteiligung von Sanierungskosten.
Mögliche Neuerichtung Wirtschaftsförderer Heinz-Martin Dirks bringt eine weitere Variante ins Spiel: „Ich könnte mir gut vorstellen, dass Opel sein Warenverteilzentrum ganz neu auf dem Gelände von Werk II errichtet“ – und das Werk-III-Gelände der „Bochum Perspektive 2022“ überlässt. Das könnte nicht nur im Interesse des Unternehmens sein. Die lang gezogene Fläche von Werk II ist größer (49,5 ha) als die von Werk III (42,4 ha).
Der bislang genannte Flächenmehrbedarf von 10 ha könnte mitunter etwas geringer ausfallen, wenn das bestehende Warenverteilzentrum nicht erweitert, sondern komplett neu errichtet wird. Auch die Stadt hätte womöglich Vorteile. Als interkommunales Projekt könnten auf Werk III Nachbarstädte wie Witten oder Hattingen einbezogen werden, denen Industrie- und Gewerbeflächen ausgehen, so Dirks. Auch die von RUB-Rektor Professor Elmar Weiler unter dem Leitthema „Bochum 4.0“ eingebrachte Anbindungen an Universitäten von Duisburg bis Dortmund, „die liegen aller an der gleichen S-Bahn-Linie“, ließen sich dort umsetzen.
Mitte Oktober legen die Opelaner in Bochum das erste Mal für knapp eine Woche die Arbeit wieder. Grund sind die erstmaligen Pläne des us-amerikanischen Mutterkonzerns General Motors (GM), Stellen zu streichen. Die Belegschaft war in den vergangenen Jahren ohnehin schon stark geschrumpft. Seit 1962 produziert Opel in drei Werken in Bochum. Hier werden die Modelle Astra und Zafira sowie Achsen und Getriebe gefertigt.Im Bild, Rainer Einenkel, damals stellvertretender Betriebsratsvorsitzender von Opel Bochum, der am 20. Oktober 2004 bei einer Pressekonfernz im Bochumer RuhrCongress die Abstimmungsergebnisse der Betriebsversammlung bekannt gibt. Unter den 6300 anwesenden Opel-Mitarbeitern stimmten nur 1000 für eine Fortsetzung der Arbeitsniederlegungen. Foto: ddp
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Der große kanadisch-österreichische Autoteile-Hersteller Magna will Opel übernehmen. Der Betriebsrat stimmt Beiträgen der Beschäftigten zu Kostensenkungen über jährlich 265 Millionen Euro zu. Im November 2009 sagt der Mutterkonzern GM jedoch „Nein“. Er will Opel selbst sanieren. Tausende von Arbeitsplätzen sollen wegfallen. In Bochum beginnt das Bangen erneut.Im Bild: Der damalige NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) spricht zu den Opelanern in Bochum. Foto: Ingo Otto / WAZ FotoPool
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Der monatelange Kampf ist vergebens: Das Opelwerk im belgischen Antwerpen wird Ende 2010 geschlossen. „Profitieren wird kein einziges Werk. Im Gegenteil: Das ist eine Niederlage für uns alle“, ist sich Rainer Einenkel, Betriebsratsvorsitzender bei Opel Bochum, sicher. Foto: AP
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Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ beruft sich im März 2012 auf ein GM-Strategiepapier und berichtet, dass das Unternehmen das Opelwerk in Bochum und den Standort im britischen Ellesmere Port schließen und die Produktion in Länder mit niedrigeren Produktionskosten verlagern will. GM gibt weder eine Bestätigung noch ein Dementi ab. Opel-Chef Karl-Friedrich Stracke hingegen teilt mit, bis Ende 2014 gelte eine Standortgarantie für die europäischen Werke.Foto: Ingo Otto / WAZ FotoPool
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Bei einer Betriebsversammlung im Mai 2012 in Bochum geht es hoch her. „Es gibt keine Entscheidung zu Opel nach 2014“, sagte Opel-Chef Karl-Friedrich Stracke. Am 28. Juni soll der Opel-Aufsichtsrat nun über die Zukunft der europäischen Werke entscheiden. Bis dahin will das Opel-Management einen neuen Sanierungsplan fertig stellen und weitere Einsparungen mit den Arbeitnehmern aushandeln. Die Beschäftigten werden werden wütend und pfeifen Stracke aus…
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Der Bochumer Betriebsrat fordert eine Zusage, dass der Familienvan Zafira für die gesamte Laufzeit des Modells in Bochum gefertigt wird. Hintergrund sind immer größer werdende Sorgen in der Belegschaft. Weil der Astra von 2015 an nur noch im Ausland gefertigt werden soll, werden Verlagerungen der Zafira-Produktion ins Opel-Stammwerk Rüsselsheim befürchtet. Dies weist Stracke bei der Betriebsversammlung zurück. Foto: Udo Kreikenbohm/WAZ FotoPool
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Juni 2012: Aufschub für das Opelwerk in Bochum: Bis zum Ende der aktuellen Zafira-Produktion Ende 1016 soll das Werk erhalten bleiben. Doch danach soll kein weiteres Modell mehr in Bochum produziert werden. Zuletzt war spekuliert worden, das Werk könne dem Rotstift schon früher zum Opfer fallen, wenn der Standortsicherungsvertrag Ende 2014 ausläuft. Foto: WAZ FotoPool
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50 Jahre Opel – das soll gefeiert werden. Doch das Unternehmen bläst die für Dezember 2012 geplante Jubiläumsfeier im Opelwerk Bochum ab. Der Grund: die Sicherheit. „Das wäre nicht mehr kalkulierbar gewesen“, sagt Opel-Sprecher Alexander Bazio. Das Familienfest würde durch mögliche Proteste und Demonstrationen einen anderen Charakter bekommen.
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Bei einem weiteren Verzicht auf Tariferhöhungen und dauerhaften Unterschreiten des Flächentarifvertrages solle ein Teil der Bochumer Belegschaft jedoch bis 2016 weiterarbeiten dürfen. Aber auch dann droht 3.000 bis 4.000 Beschäftigten die Arbeitslosigkeit. Obwohl es im Aufsichtsrat anders beschlossen ist, verlangt Girsky (im Bild) bis Ende Februar 2013 den Abschluss der Verhandlungen. Foto: Marco Kneise / TA
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Am 28. Februar 2013 steht fest: Das Bochumer Opelwerk bekommt (mal wieder) eine letzte Galgenfrist. Es bleibt dabei: Bis zum Ende der aktuellen Zafira-Produktion Ende 2016 bleibt Bochum Produktionsstandort für Autos. Danach sollen 1200 tarifgebunde Industriearbeitsplätze in der Komponentenfertigung und im Warenverteilzentrum erhalten bleiben. Doch bereits ab April 2013 soll die Nachtschicht in Bochum wegfallen. Daran hängen rund 700 Stellen.
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Der Bochumer Betriebsratsvorsitzende Rainer Einenkel kritisiert das Ergebnis der Sanierungsverhandlungen. Vieles sei nicht geregelt, die Beschäftigung nach 2016 nicht konkret benannt. Auch gebe es keine genauen Aussagen zu den geplanten Abfindungen oder Vorruhestandsregelungen. Deshalb habe er auch als einziges Mitglied der Verhandlungskommission gegen das Papier gestimmt. In Bochum soll versucht werden, neue Unternehmen und Technologien anzusiedeln, um den Opelanern aus der Produktion eine Perspektive über das Jahr 2016 hinaus zu bieten.
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Solidaritätsfest in Bochum Anfang März 2013: Breite Unterstützung für die Opelaner, harsche Kritik an den „Vollversagern in Nadelstreifen“ beim Solidaritätsfest in der Bochumer Innenstadt. 18.000 Menschen kommen, um sich solidarisch mit den Opelmitarbeitern in Bochum zu zeigen. Foto: Ingo Otto / WAZ FotoPool
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Der Bochumer Betriebsratsvorsitzende Rainer Einenkel ist „not amused“: Die Verhandlungen für einen Sanierungstarifvertrag zwischen Unternehmen und Arbeitnehmervertretern Mitte März in Rüsselsheim seien nach zehn Minuten beendet gewesen. Das Management habe nur ein „Paket“ vorgelegt, dass alle für den Standort Bochum wichtigen Punkte über die Weiterbeschäftigung nach dem Auslaufen des Fahrzeugbaus im Unklaren lässt, so Einenkel.
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Das Ergebnis ist eindeutig: Am 21. März 2013 stimmen 76,1 Prozent der Bochumer Opelmitarbeiter, die Mitglieder der Gewerkschaft IG Metall sind, gegen das Verhandlungsergebnis zu einem Tarifvertrag mit Opel. Umgehend reagiert die Konzernleitung: Ende 2013 sei nun Schluss mit der Getriebefertigung, 2014 mit der Autoproduktion in Bochum. Zudem komme der Wegfall der dritten Schicht bald.
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Der Tarifvertrag zur Sanierung des angeschlagenen Autobauers Opel kann an den Standorten Kaiserslautern, Eisenach und Rüsselsheim in Kraft treten. Der IG-Metall-Bundesvorstand stimmt dem von der Tarifkommission ausgehandelten Vertrag zu. Er gilt nicht für den Standort Bochum. Dort hatten die IG-Metall-Mitglieder das Papier abgelehnt.
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Das Aus für Bochum Ende 2014 ist für Betriebsratschef Einenkel nicht ausgemacht. NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) bietet sich als Moderator an. „Mein Ziel ist es, in Gesprächen mit Betriebsrat, IG Metall und Opel-Management Alternativen zur vorzeitigen Schließung des Bochumer Werkes auszuloten.“Gleichzeitig bekräftigte er, am Projekt „Bochum 2022“ festzuhalten. Opels „zweistellige Millionenzusagen für die Entwicklungsgesellschaft“ stünden außer Frage. Die Gesellschaft werde unabhängig vom „Nein“ der Belegschaft „neue Perspektiven für den Standort entwickeln“. Foto: Lutz von Staegmann / WAZ FotoPool
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General Motors will bis zum Jahr 2016 vier Milliarden in seine Automarken Opel und Vauxhall in Europa investieren, sagt Konzernchef Dan Akerson bei einem Besuch in Rüsselsheim am 10. April 2013. Vor allem gehe es darum, neue Modelle und Motoren zu finanzieren. Dass nun Ende 2014 die Autoproduktion in Bochum auslaufen soll, daran ändert sich nichts. Konzern-Vize Steve Girsky sagt, er bedauere das Votum der Mitarbeiter in Bochum gegen den Sanierungsplan. Foto: Getty Images
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Letzte Schicht bei Opel im Getriebewerk in Bochum-Langendreer am 7. Oktober 2013. Die Getriebeproduktion sollte erst Ende 2013 beendet werden. Doch Opel macht Druck und verkündet das Ende der Produktion bereits im September 2013. Bis zum Ende des Jahres sollen nur noch die Getriebe-Vorräte aus dem Lager geräumt werden. Foto: Joachim Haenisch / WAZ FotoPool
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Den 300 Mitarbeitern der Getriebefertigung im Werk II in Bochum bietet Opel Abfindungen, den Wechsel in eine Transfergesellschaft oder die Möglichkeit des Wechsels innerhalb des Unternehmens an. Bis Ende des Jahres 2013 müssen sie sich entscheiden. Foto: Hans Blossey
Opel will doch nicht so ganz gehen. Mitte November 2013 verkündet der Autokonzern, dass das Warenverteilzentrum in Bochum erhalten bleiben soll. Dort sollen einige Hundert neue Arbeitsplätze entstehen. Die bereits bestehenden 430 sollen um weitere 265 Stellen aufgestockt werden. Foto: Ingo Otto / WAZ FotoPool
Der Logistiker Neovia, an dem Opel zu 20 Prozent beteiligt ist und den der Autobauer mit der „Versandaufgabe“ betraut hat, bedient bislang aus einem Sammelsurium von nach und nach errichteten Gebäuden auf dem Gelände von Werk III etwa 3000 Händler in Europa mit 130.000 Teilepositionen.
Die Frage, ob diese nicht effektiver in einem Neubau durchgeschleust werden können, ist berechtigt. Auch die von Opel schon verkündete Investitionssumme von 60 Millionen Euro erscheint zu groß, wenn es nur um eine Erweiterung ginge. Freilich wäre sie auch zu klein für einen Komplettumbau.
Vorteile hätte der Neubau für Opel nicht zuletzt deshalb, weil es beim bereits still gelegten Werk II eine offenbar überschaubare Altlastensituation gibt, der vorhandene Gleisanschluss erhalten bleiben soll und das Gelände nach Erkenntnissen der Werkstattgespräche schnell zu entwickeln wäre.