Regisseur Eric de Vroet zeigt „Leas Hochzeit“ in den Kammerspielen zwischen Komödie und Weltkriegsbewältigung. Als Ensemblestück ganz glänzend.
Bochum.
Bereit für eine kleine Zeitreise? Mit großartigen Kostümen und einer eindrucksvollen Bühne zieht Regisseur Eric de Vroedt seine Zuschauer mit „Leas Hochzeit“ ins Amsterdam der bunten 70er Jahre. Der Lohn: Viel Beifall fürs Ensemble und stehende Ovationen für einen besonderen Gast.
Die Aufführung?
Sehenswert. Autorin Judith Herzberg zeigt in ihrem Stück den Ablauf einer Hochzeitsfeier von der Ankunft der Braut bis zum Kehraus tief in der Nacht. Dabei sieht man witzigerweise nicht die Party selber, sondern das Foyer daneben, wo Gäste und Kellner unablässig hin und her laufen. Aber wie das bei den meisten Partys so ist: Die interessantesten Gespräche finden immer am Rand statt.
Dass alle Figuren Überlebende des Holocaust sind, bildet gewissermaßen den dramatischen Hintergrund. Doch halten sich Partylaune und Weltkriegsbewältigung erstaunlich die Waage. So pendelt der Abend zwischen Komödie und Melodram (siehe Kritik auf der Kulturseite im Hauptteil).
Das Ensemble?
„Leas Hochzeit“ funktioniert als Ensemblestück ganz glänzend. Es gibt keine Hauptrolle, die zwölf Darsteller stehen gleichberechtigt nebeneinander. Einzelne Spieler hervor zu heben, wäre unfair (aber wie Anke Zillich die vom Krieg gebeutelte Mutter gibt, geht echt zu Herzen).
Bühne / Kostüme?
Die 70er-Kostüme sind schwer cool, einige der Schauspieler (vor allem Nico Mastroberardino) sind kaum wiederzuerkennen. Auch das quietschrote Bühnenbild atmet den Geist dieser Dekade.
Die Länge?
Mit über zwei Stunden ohne Pause recht lang. Aber eine gewisse Langatmigkeit haben Familienfeiern halt so an sich. Den Rat von Dramaturg Olaf Kröck, vor Beginn noch schnell die Toilette aufzusuchen, sollte man besser beherzigen.
Der Ehrengast
Judith Herzberg (80), eine der bedeutendsten Autorinnen der Niederlande, saß bei der Premiere in der ersten Reihe und wurde beim donnernden Schlussapplaus von Regisseur Eric de Vroedt respektvoll mit Küsschen begrüßt. Ein ergreifender Augenblick, zumal es ihre eigene Geschichte ist, die im Stück erzählt wird. Wie Lea wurde auch Herzberg während der Nazi-Herrschaft bei nichtjüdischen Eltern versteckt.