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CDU-Abgeordnete lösen Streit über Nordstadt aus

CDU-Abgeordnete lösen Streit über Nordstadt aus

Zwei Landtagsabgeordnete der CDU werfen der Landesregierung vor, die Probleme in der Nordstadt schön zu reden. Der Bezirk sei eine No-Go-Area, also ein rechtsfreier Raum. Diese Zuspitzung stößt auf Widerspruch nicht nur in der Nordstadt und bei der Polizei, sondern auch in der eigenen Partei.

Dortmund. 

„Landesregierung darf die Existenz von No-Go-Areas nicht länger leugnen“, überschreiben die Dortmunder CDU-Landtagsabgeordnete Claudia Middendorf und der der Innen- und Polizeiexperte Gregor Golland eine Pressemitteilung über eine „kleine Anfrage“ der CDU-Landtagsfraktion an die Landesregierung. Der Anlass: Bei der Festnahme eines bewaffneten 15-Jährigen am 6. September 2016 in der Nordstadt umstellten mehrere Personen die Einsatzkräfte der Polizei. „Solche Vorfälle kennt man schon aus Stadtbezirken wie Duisburg-Marxloh oder Gelsenkirchen-Bismarck“, sagt die CDU-Landtagsabgeordnete Claudia Middendorf und fügt hinzu: „Jetzt haben wir also auch in Dortmund rechtsfreie Räume, in denen ganze Clans keinen Respekt mehr vor der Polizei zeigen.“

„Man muss von einer No-Go-Area sprechen“

Auch der Abgeordnete Gregor Golland spricht Klartext: „Man muss hier von einer No-Go-Area sprechen“. Gerade im Ruhrgebiet würde „schon seit längerer Zeit immer wieder deutlich, dass ganze Viertel betroffen sind, in denen die Polizei nicht Herr der Lage wird.“ Ein besonders erschreckendes Beispiel für einen rechtsfreien Raum sei die Silvesternacht in Köln gewesen.

Die CDU sei sich darin einig, dass die Polizei personell verstärkt und mit Körper-Kameras („Bodycams“) ausgestattet werden müsse. Innenminister Ralf Jäger weigere sich, das „Kind beim Namen zu nennen“. „No-Go-Areas“ würde es im Sprachgebrauch des Ministers angeblich nicht geben. Claudia Middendorf: „Anstatt die Realität zu verleugnen, muss der Minister mehr für die Menschen in den betroffenen Stadtbezirken tun.“

Kleine Anfrage der CDU löst Widerspruch aus

Mit der „Kleinen Anfrage“, auf die das Innenministerium in Düsseldorf innerhalb von vier Wochen schriftlich antworten muss, sind Claudia Middendorf und Gregor Golland auf Widerspruch gestoßen. Hier erste Reaktionen:

  • Dr. Andreas Ruch vom Lehrstuhl für Kriminologie an der Ruhr-Uni Bochum: „Natürlich sind die angesprochenen Gebiete keine rechtsfreien Räume. Das Recht gilt dort ebenso wie in anderen Orten auch. Das Problem mag die Durchsetzung des Rechts sein. Hier braucht die Polizei aber keine weiteren Befugnisse, da ihr bereits jetzt schon ausreichend rechtliche Möglichkeiten zustehen. Die Probleme in der Nordstadt hätten vielfach soziale Ursachen – mehr Personal bei der Polizei oder Bodycams würde da nicht weiterhelfen.
  • Nicole Ausbüttel von der Interessengemeinschaft Münsterstraße: „Die Diskussion ist lächerlich. In 20 Jahren hat sich hier viel zum Positiven gewandelt. Die fortwährende Negativbetrachtung schadet nicht nur dem Stadtteil – sie vernichtet die gute Arbeit engagierter Bürger. Nur wer vor Ort lebt oder arbeitet, kann die Lage realistisch beurteilen.“
  • Oliver Peiler, Sprecher der Polizei Dortmund: „In Dortmund gibt es keine rechtsfreien Räume. Die Polizei ist in der Nordstadt präsent wie nie zuvor. Der personelle Ansatz ist in den letzten Jahren immer wieder erhöht worden. Immer dort, wo Probleme offenkundig werden, reagiert die Polizei sofort und konsequent. Die Beamten der Polizeiwache Nord sind an allen neuralgischen Punkten präsent und stehen in engem Kontakt zu den Nordstädtern.
  • Gerda Horitzky, Vorsitzende des CDU-Stadtbezirks Innenstadt-Nord: „Mein Gott, wer hat das denn veröffentlicht? Diese Aussagen sind eine Frechheit. Das sagen Leute, die hier nicht wohnen.“ Gleichwohl fordert Gerda Horitzky mehr Durchsetzungskraft bei Polizei und Ordnungsamt – „wir befinden uns an einem Scheideweg“.

Das Polizeipräsidium stellte in einer Reaktion auf die kleine Anfrage der CDU klar, dass der Tumult vom 6. September 2016 in der Nordstadt „ungeeignet für eine No-Go-Area-Debatte“ sei. Der Vorfall in der Bergmannstraße weise auf ein anderes zunehmendes Phänomen hin: Polizeibeamten und Rettungskräften würde immer weniger Respekt entgegen gebracht. Polizeihauptkommissar Oliver Peiler: „Ein gesellschaftliches Problem, welches jedoch in allen Bereichen unserer Stadt vorkommen kann und auch bereits vorgekommen ist.“

„Kein wissenschaftlicher Begriff“

Dr. Andreas Ruch vom Lehrstuhl für Kriminologie, Kriminalpolitik, Polizeiwissenschaft an der Ruhr-Universität in Bochum sagte, dass der „No-Go-Area“-Begriff kein wissenschaftlicher Begriff sei, sondern in der Politik und von den Medien benutzt werde. Auf die Frage, ob er einen Bereich von „No-Go-Area“-Bedeutung kenne, sagte er: „Aktuell dürften bestimmte Gebiete Mecklenburg-Vorpommerns für Menschen mit fremdländischem Aussehen eine No-Go-Area sein.“ Er spielt damit auf den Wahlerfolge der AfD an.

2016-09-17 03:51:00.0