Ab 2020 pumpt die RAG kein Grubenwasser mehr in die Emscher ab. Das hat Folgen für Zollverein und Zeche Amalie. Umweltschützer warnen.
Essen.
Der Doppelbock ist das Wahrzeichen der Zeche Zollverein. Als solches gehört das imposante Fördergerüst sicher zu den meistfotografierten Bauwerken diese Stadt. Nur die wenigsten Besucher des Weltkulturerbes dürften wissen, dass es noch immer seinen Zweck erfüllt, auch wenn die letzte Tonne Kohle auf Zollverein vor fast 30 Jahren gehauen wurde. Am Tag vor Heiligabend 1986 hieß es endgültig Schicht im Schacht. Bis heute dient Zollverein jedoch der so genannten Wasserhaltung. Die RAG pumpt in fast 1000 Metern Tiefe das Grubenwasser ab und stellt so sicher, dass ihre Bergwerke, die noch in Betrieb sind, nicht buchstäblich absaufen.
Wenn die RAG aber in gut zwei Jahren den Steinkohleabbau im Ruhrgebiet einstellt und die Kumpel auch auf Prosper Haniel in Bottrop und auf Auguste Victoria in Marl ein letztes Mal einfahren, ist es auch damit vorbei. Bei der RAG arbeiten sie bereits an einem neuen Konzept für die Wasserhaltung. Das hat Folgen für Natur und Umwelt, leider nicht nur im positiven Sinne, befürchten Kritiker wie der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND).
Noch wird das Grubenwasser auf Zollverein in die Emscher gepumpt. 2018 soll der zu einer Kloake verkommene Fluss, von Abwässern befreit sein. Die Emschergenossenschaft baut dafür derzeit einen gewaltigen Kanal. Die Emscher selbst soll bis 2020 wie einstmals wieder in ihrem natürlichen Bett dahinplätschern. „Die Einleitung von Grubenwasser in die Emscher wollen wir dann komplett beenden“, sagt Markus Roth, Geologe und für die Planung der Wasserhaltung zuständiger Bereichsleiter bei der RAG.
Hintergrund: In der Emscherregion muss das Wasser aus großer Tiefe abgepumpt werden, es ist deshalb stark mineralisiert, was auch den Klärwerken nicht gut tue. Die RAG will es deshalb in Zukunft über unterirdische Leitungen bei Dinslaken Lohberg in den Rhein einleiten, der mehr Wasser führt als die schmale Emscher.
Es bleibt nur Zeche Heinrich
Wasserhaltung nach heutigem Muster betreibt der Nachfolger der Bergwerkgesellschaften auf Essener Stadtgebiet dann nur noch an der ehemaligen Zeche Heinrich in Überruhr, wo das Grubenwasser in die Ruhr abfließt. Da die Kohle im Ruhrtal oberflächennah gefördert wurde, ist es weniger stark belastet.
Auf Zollverein, aber auch auf der ehemaligen Zeche Amalie in Altendorf hat die Wasserhaltung nach heutigem Verfahren hingegen ein Ende. Das hat Folgen: Der Wasserspiegel unter Tage wird steigen. Umweltschützer fürchten, dass dadurch gesundheitsgefährdende Schadstoffe ins Grundwasser gelangen könnten, darunter PCB.
Bis in die 1980er Jahre wurden in Maschinen, die unter Tage zum Einsatz kamen, PCB-haltige Hydrauliköle verwendet. Geologe Roth spricht von „diffusen Mengen“, die dabei ausgetreten seien. „Man weiß nicht wo.“ Einem im Sommer dieses Jahres von der Landesanstalt für Umwelt und Verbraucherschutz vorgelegten Zwischenbericht zufolge wurden bei der Grubenwasserüberwachung geringe Mengen von PCB nachgewiesen; auf Zeche Amalie lagen die gemessenen Konzentrationen unterhalb der von der Oberflächengewässer-Verordnung vorgegebenen Norm, auf Zollverein lagen Messergebnisse darüber. Ein Gutachten der Landesregierung steht noch aus und wird laut RAG 2017 erwartet.
Grubenwasser will die RAG erst ab einer Tiefe von 550 Metern abpumpen. „Wir bleiben so unterhalb der Trinkwassergewinnungsbereiche“, betont Roth.
Technisch wird sich die RAG allerdings eines anderen Verfahrens bedienen. Die Schächte werden verfüllt, ein Rohr eingesetzt, an dessen Ende eine Tiefenpumpe das Wasser fördert. Markus Roth vergleicht das Prinzip mit dem der Brunnenhaltung im heimischen Garten. Die Seilfahrten, wie sie heute auf Zollverein noch üblich sind, haben dann ein Ende. Wem der Bergbau Herzen liegt, dem wird das Herz bluten. „Das ist bedauerlich, lässt sich aber nicht ändern“, sagt Roth.
Das Fördergerüst von Amalie in Altendorf hat nach den Plänen der RAG 2020 ausgedient. Was aus dem ortsbildprägendem Fördergerüst wird, sei offen. Eigentümer ist Thyssen-Krupp. Im Umweltausschuss des Stadtrates wurde jüngst der Ruf laut, es unter Denkmalschutz zu stellen.
Der Doppelbock auf Zollverein steht bereits unter Schutz, als Wahrzeichen des Weltkulturerbes bleibt er der Nachwelt erhalten. Nachhaltige Folgen hat das neue Wasserhaltungskonzept der RAG jedoch für ein anderes, nicht minder beeindruckendes Bauwerk auf dem Welterbe-Areal: das Sanaa-Gebäude. Der von den Stararchitekten Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa preisgekrönte Würfel wird mit 28 Grad warmen Grubenwasser aus tausend Metern Tiefe beheizt, was so nicht mehr möglich sein wird. „Darüber“, sagt Roth, „muss man sich Gedanken machen“.