Weil Bahnen und Busse häufig Verspätung hatten, passte die Evag die Fahrzeiten an. Nun muss sich beweisen, ob die Linien tatsächlich pünktlicher sind.
Essen.
Kommt sie noch – oder ist sie schon weg? Der Fahrgast steht an der Haltestelle, klopft auf seine Uhr. Funktioniert. Der Zeiger bewegt sich. Nur die Tram nicht, die steckt im Stau, hat mal wieder Verspätung.
Ärgerlich. Auch für die Essener Verkehrsgesellschaft Evag. Sie weiß, dass sie Kunden für immer verlieren kann, wenn sie nicht pünktlich ist. Deshalb nahm sie alle Haltestellen besonders kritisch unter die Lupe, analysierte Millionen Daten und korrigierte zum großen Fahrplanwechsel am 14. Juni zahlreiche Abfahrtzeiten.
Jetzt müsste es eigentlich besser klappen. Im Laufe des zweiten Halbjahres weiß die Evag mehr – dann liegen neue Ergebnisse vor.
Ein Programm für mehr Pünktlichkeit
Die Überprüfung der Fahrpläne zählt zwar quasi zum laufenden Geschäft, „aber diesmal hatten wir es mit einer ganzen Flut von Daten zu tun“, sagt Christoph Lademann, stellvertretender Via-Betriebsleiter. Die Fachleute wählten pro Linie tausend möglichst repräsentative Fahrten aus – also außerhalb der Ferienzeiten und an Tagen, wo keine Baustellen den Verkehr ins Stocken bringen.
Die Fahrzeiten wurden daraufhin angepasst. Und nicht nur das: Auf den Straßenbahnlinien hatte man auch berücksichtigt, dass eine Tram während der Rushhour zum Teil deutlich länger zum Ziel braucht als am späten Abend.
Die Evag wird bei den Bahn-Linien jedes Jahr die Soll- mit den Ist-Zeiten abgleichen. „Bei den Buslinien wollen wir das alle zwei Jahre machen“, kündigt Christoph Lademann an. Es ist ein Programm für mehr Pünktlichkeit, für „Fahrplantreue“.
„In München sind es 70 Prozent“
Was die Evag damit meint, ist schwarz auf weiß festgeschrieben „80 Prozent aller Fahrten sollen pünktlich sein“, erklärt Evag-Sprecher Olaf Frei. Die Toleranzgrenze liegt hier bei drei Minuten. Alles andere gilt als Verspätung.
Zu den unpünktlichsten Linien zählten 2014/2015:
- die Straßenbahn-Linien 103 (Dellwig-Steele) und 109 (Frohnhausen-Steele) – auch wegen der Bauarbeiten auf der Steeler Straße,
- die Bus-Linien 186 (Bottrop-Schölerpad) und 196 (Vogelheim-Frohnhausen).
Zu den vorbildlichen Linien, bei denen der Zielwert von 80 Prozent deutlich übertroffen wurde, gehörten:
- die U-Bahn-Linien U17 (Altenessen-Margarethenhöhe) und U18 (Berliner Platz-Hauptbahnhof Mülheim)
- die Bus-Linien 140 (Borbeck-Stoppenberg) und 169 (Velbert-Margarethenhöhe).
Ein Hauptproblem wird die Evag auf absehbare Zeit nicht lösen können. „Wir stehen oder fahren zu 80 Prozent mit dem motorisierten Individualverkehr“, gibt Frei zu bedenken. Nur auf 20 Prozent des 170 Kilometer langen Bahnnetzes hat die Evag eigene Trassen. Frei: „In München sind es 70 Prozent.“
Damit die Evag pünktlicher werde, sei auch die Stadt in der Pflicht. Zwar wurden zuletzt für die Bahn-Linien 101, 103, 105 und 109 an 27 Ampeln Vorrangschaltungen für die Bahnen geschaffen. Doch der ganze große Wurf, 276 Ampeln umzurüsten, wurde nicht gemacht.
Fahrer dürfen nicht zu früh losfahren
Für den Vorsitzenden des Bau- und Verkehrsausschusses, Rolf Fliß (Grüne), ist das nicht hinnehmbar. „Ich will, dass keine einzige Bahn und kein einziger Bus vor einer Ampel warten muss.“ Fliß fordert die konsequente Einführung der grünen Welle auf allen Linien. „Eine Bahn hat nur an der Haltestelle zu stoppen.“ Auch ein besser koordiniertes Baustellenmanagement könnte Verspätungen verringern, so Evag-Sprecher Frei. Ebenso der barrierefreie Umbau der Haltestellen, damit die Kunden schneller ein- und aussteigen.
Übrigens: Pünktlich heißt für die Evag auch, dass der Fahrer nicht zu früh losfährt. „Und zwar nicht eine Minute zu früh“, unterstreicht Frei. „Das wäre für uns nicht akzeptabel.“