Auf den ersten Blick wirkt die Lage recht entspannt: Der Füllstand der deutschen Gasspeicher liegt bei fast 93 Prozent. Bis Anfang November sollen 95 Prozent erreicht sein. Läuft also alles nach Plan? Nicht ganz!
Der Gas-Füllstand könnte in diesem Winter das werden, was tägliche Inzidenz-Updates und Corona-Neuinfektionszahlen während der Pandemie-Krise waren. Der wichtigste Gradmesser der Krise. Und der Oberaufseher über den Gasverbrauch in Deutschland schlägt Alarm.
Immer noch Gas-Alarm in Deutschland: „Die Lage kann sehr ernst werden“
Um in dem Corona-Bild zu bleiben, wäre Klaus Müller der neue Lothar Wieler. Der Chef der Bundesnetzagentur warnt zu Beginn des Herbstes immer eindringlicher davor, dass die Deutschen die drohende Gasknappheit auf die leichte Schulter nehmen.
„Der Gasverbrauch ist auch letzte Woche zu stark angestiegen“, so Müller am Donnerstag (6. Oktober). Er vergleicht die Zahlen mit dem Niveau der Vorjahre. Konkret lag der Gasverbrauch in der 39. Kalenderwochen fast zehn Prozent über den Durchschnitt der Jahre 2018 bis 2021. Die Industriekunden verbrauchen zwei Prozent mehr – trotz der hohen Gaspreise und aller Appelle aus der Politik.
Klaus Müller sieht harte Zeiten auf das Land zukommen: „Die Lage kann sehr ernst werden, wenn wir unseren Gasverbrauch nicht deutlich reduzieren.“
Zwar war der Herbstauftakt kühler und regnerischer als davor die Jahre, doch das sei nicht relevant für die drohende Gas-Mangellage, so Müller. Man müsse „absolut weniger Gas verbrauchen“.
Bedarf in Winter-Heizsaison viel höher, als Gasspeicher abdecken können
Die Sorge scheint nicht unbegründet, denn selbst komplett volle Gasspeicher bedeuten nicht automatisch, dass die Gasversorgung über den ganzen Winter gesichert ist. Die Speicher könnten je nach Witterung in den Wintermonaten innerhalb von rund zwei bis drei Monaten aufgebraucht sein, zumindest ohne Importe größerer neuer Gasmengen.
Laut Branchenverband INES kann in den Speichern maximal Gas mit einem Energiegehalt von rund 256 Terawattstunden gespeichert werden. In der Heizsaison von November 2021 bis März 2022 wurden in Deutschland jedoch 570 Terawattstunden Erdgas verbraucht!
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Brisant: Ausgerechnet die geplante Gaspreis-Bremse der Bundesregierung könnte hier kontraproduktiv wirken. Fällt der Gaspreis wieder und nimmt damit der Druck auf die Verbraucherinnen und Verbraucher spürbar ab, dürfte auch der Sparwille nachlassen. Man lässt dann doch häufiger die Heizung laufen oder duscht an einem kalten Januar-Tag länger heiß. Machen das jedoch Millionen Bürgerinnen und Bürger, könnte das wiederum die Lage weiter verschärfen.
Ökonomin fordert: Alle Kraftwerke ans Netz, um Gasmangel im Winter zu vermeiden
Die Ökonomin Veronika Grimm fordert daher, Atom- und Kohlekraftwerke länger am Netz zu halten. „Um den Strompreis zu senken, müssten alle verfügbaren Kohle- und Kernkraftwerke ans Netz. Das würde auch helfen, einen drohenden Gasmangel im Winter zu vermeiden“, so die Professorin im Cicero-Podcast.