Essen.
Bundeswirtschaftminister, RAG- und Evonik-Chef, Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Bahn – Werner Müller (68) hatte schon viele Ämter und Aufgaben. Heute ist er Chef der Essener RAG-Stiftung. Im Interview mit Andreas Tyrock, Stefan Schulte und Ulf Meinke spricht Müller darüber, wie er mit Hilfe der Stiftung mehr für Bildung, Wissenschaft und Kultur im Ruhrgebiet tun will.
Herr Müller, es ist die Aufgabe der RAG-Stiftung, Geld für die teuren Hinterlassenschaften des Steinkohlenbergbaus einzusammeln. Vermutlich bis in alle Ewigkeit muss Grubenwasser gepumpt werden, damit das Ruhrgebiet nicht absäuft. Hat die Stiftung dafür genug Geld in der Kasse?
Werner Müller: Ab dem Jahr 2019 müssen wir jährlich schätzungsweise rund 220 Millionen Euro ausgeben, um die Ewigkeitsaufgaben zu finanzieren. Unsere Einnahmen entwickeln sich erfreulich. In 2014 liegen wir bei rund 350 Millionen Euro, für die Jahre ab 2019 rechnen wir mit rund 400 Millionen Euro. Das heißt, wir haben eine solide Finanzierung für eine Aufgabe, für die sonst wohl die Steuerzahler aufkommen müssten.
400 Millionen minus 220 Millionen – bleiben 180 Millionen Euro. Was soll mit dem Geld geschehen, das nicht für die Folgekosten des Bergbaus gebraucht wird?
Einen großen Teil davon benötigen wir für den Ausbau unseres Kapitalstocks, um auch eventuell ertragsschwächere Jahre problemlos durchstehen zu können. Mit dem, was danach übrig bleibt, könnten wir uns in der Region engagieren. Bislang sind uns hier finanziell aber sehr enge Grenzen gesetzt. Wenn man diese Grenzen etwas weiter fassen würde, könnte man mit dem Geld der Stiftung hier viel Gutes bewirken, immer vorausgesetzt, dass wir dauerhaft deutliche Mehreinnahmen erwirtschaften.
Im politisch geprägten Kuratorium sitzen unter anderem die Länderregierungschefs aus NRW und dem Saarland, Bundesfinanz- und Wirtschaftsminister und der Chef der Bergbaugewerkschaft. Bei der Stiftungsgründung wollte der damalige NRW-Ministerpräsident Rüttgers verhindern, dass ein neues industriepolitisches Machtzentrum entsteht. Erhoffen Sie sich nun mehr Spielraum?
Es geht hier weniger um Industriepolitik. Wir wollen Geld, das in den Bergbauregionen erwirtschaftet wurde, für Bildung, Wissenschaft und Kultur ein Stück weit an die Regionen und ihre Bürger zurückgeben. Der öffentlichen Hand fehlen hierfür zunehmend die Mittel. Das Deutsche Bergbau-Museum in Bochum beispielsweise ist in einem bedauernswerten Zustand und müsste grundsaniert werden. Oder schauen Sie sich die Finanzierung des Weltkulturerbes Zeche Zollverein an. Es gäbe auch darüber hinaus genug zu tun.
An wie viel Geld für Bildung, Wissenschaft und Kultur denken Sie?
Wir haben einmal mit 1,5 Millionen Euro angefangen, für 2015 stehen uns 7,5 Millionen zur Verfügung, 2016 rechnen wir mit zehn Millionen Euro. Ich denke aber, dass auf lange Sicht ein Viertel der Differenz zwischen jährlichen Einnahmen und Ausgaben eine gute Zielgröße wäre. Immer vorausgesetzt, dass zugleich der Vermögensaufbau für die Deckung der Ewigkeitskosten definitiv gewährleistet ist.
Größter Geldbringer der Stiftung ist die Dividende, die der Essener Chemiekonzern Evonik ausschüttet. Rund 68 Prozent der Evonik-Aktien sind in Besitz der Stiftung. Nun wollen Sie auch in mittelständische Betriebe investieren. Doch bislang ist das Geld ausschließlich in Unternehmen außerhalb von NRW geflossen – nach Rheinland-Pfalz, Hessen, Baden-Württemberg und Bayern. Ein Zufall?
Ja, das ist ein Zufall. Wir haben uns auch einige Unternehmen aus NRW angeschaut. Bislang hat sich noch nichts ergeben, was unseren Anforderungen entspricht. Aber das muss ja nicht so bleiben.