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Preisverfall in Triers Rotlichtmilieu

Preisverfall in Triers Rotlichtmilieu

„Triers Sündenpfuhl Nr. 1“ liegt im Norden der Stadt und erregt die Gemüter. In der Bischofsstadt stößt vielen das Geschäftsmodell des „Flatrate-Bordells“ auf. „Menschenunwürdig“ sei das, kritisiert auch Oberbürgermeister Klause Jensen (SPD). Im Rathaus hat man den Eindruck, dass das älteste Gewerbe in Deutschlands ältester Stadt derzeit floriert.

Trier (dapd-rps). „Triers Sündenpfuhl Nr. 1“ liegt im Norden der Stadt und erregt die Gemüter. In der Bischofsstadt stößt vielen das Geschäftsmodell des „Flatrate-Bordells“ auf. „Menschenunwürdig“ sei das, kritisiert auch Oberbürgermeister Klause Jensen (SPD). Im Rathaus hat man den Eindruck, dass das älteste Gewerbe in Deutschlands ältester Stadt derzeit floriert. Kaum ein Monat vergehe, in der nicht ein Antrag auf Genehmigung eines Bordells gestellt werde, heißt es.

In der Verwaltung nennt man die Nähe zu Frankreich und Luxemburg als Grund für die Nachfrage. Dort sind Bordelle verboten, was Triers Rotlichtmilieu wachsenden Grenzverkehr beschere. Allerdings ist Triers Lage nicht neu, und an den rechtlichen Rahmenbedingungen in den Nachbarländern hat sich auch nichts geändert.

Freier nehmen mehrere Stunden Fahrt in Kauf

„Quatsch“, sagt der Betreiber eines Trierer Puffs, der seinen Namen nicht veröffentlicht sehen will. Entscheidend sei allein die Größe des Einzugsgebiets. Die Freier würden zwei bis drei Stunden Fahrt in Kauf nehmen, da sei es egal, wo das Bordell liege. Dem widerspricht Sabrina Müller vom Verein Aldona, einer Beratungsstelle für Prostituierte und Migrantinnen in Saarbrücken. Mehr als 800 Frauen arbeiteten in der saarländischen Landeshauptstadt im Rotlichtgewerbe, beziffert sie, ein großer Teil der Freier komme aus Frankreich.

In Saarbrücken gibt es mehrere Pauschalclubs. Dass deren Geschäftsmodell eine Bedrohung für Prostituierte darstelle, will Müller der Nachrichtenagentur dapd nicht bestätigen: „Ich würde das nicht pauschalisieren, auch in normalen Bordellen sind Frauen mitunter Zwang ausgesetzt.“ Auch stünden die Prostituierten unter enormem Kostendruck, da sie für die tägliche Zimmermiete 60 bis 80 Euro aufbringen müssten – „da überlegt sich eine Frau dreimal, ob sie einen Freier ablehnt“.

Triers Oberbürgermeister Jensen lehnt das Geschäftsmodell der Pauschalclubs ab. Als die Ansiedlung bekannt wurde, sah sich Jensen heftiger Kritik ausgesetzt: Der OB mache sich zum „Komplizen der Frauenverachtung“, wenn er das Vorhaben nicht stoppe, polterte die Frauenrechtsorganisation „Terre des Femmes“. Baurechtlich hatte die Stadt allerdings keine Handhabe und musste deshalb die Genehmigung erteilen. „Moralisch kann man solche Etablissements eine Schweinerei finden, rechtlich gibt es nichts zu beanstanden“, sagt Hans-Heiner Kühne. Der Trierer Strafrechtsexperte verweist darauf, dass das Prostitutionsgesetz nicht die Preisgestaltung regelt.

Pauschalclubs werben mit „ultragünstigen All-Inklusive-Angeboten“, zu einem Festpreis dürfen die Freier mit beliebig vielen Frauen Sex haben. Für Müller beginnt der Preisverfall indes auf der Straße. Manche sexuellen Dienstleistungen würden auf dem Strich bereits ab zehn Euro angeboten, und es seien derzeit vor allem Frauen aus Bulgarien und Rumänien, die im Milieu arbeiteten.

Straßenstrichs breiten sich aus

In Trier hatte es lange keinen Straßenstrich gegeben, nun säumen Prostituierte eine wichtige Einfallstraße, und in einem weiteren Stadtteil macht sich das Phänomen breit. Ein Bordellbesitzer mutmaßt, dass so der Markt für weitere Billigpuffs sondiert werde. Schon gibt es Forderungen, die Grenzen des seit den 1970er Jahren geltenden Sperrbezirks zu ändern.

Geändert hat der Stadtrat nun den Bebauungsplan für den Norden Triers. Weitere Bordelle dürfen sich dort nicht mehr ansiedeln, die vorhandenen Etablissements drohten, das gesamte Gewerbegebiet in Verruf zu bringen. Für das neue Flatrate-Bordell, dessen Geschäftsführerin sich nicht äußern möchte, gilt Bestandsschutz. Dass die kürzlich eingeführte Sexsteuer die Expansion im Rotlichtgewerbe bremsen könnte, scheint derweil fraglich – die Abgabe wurde bereits im Sommer beschlossen.

dapd