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Opa Cool: Frank Farian wird 70

Frank Farian wird 70 – jetzt ist er „Opa Cool“

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Foto: Getty Images
Rocker, Schlager-Fuzzi, Disco-King: Frank Farian hat Pop-Geschichte geschrieben. „Rocky“ sang er selbst. Später ließ er singen, Boney M., aber auch Milli Vanilli. Was macht „Opa Cool“ heute?

Essen. 

Goldene Schallplatten hat er so viele, er könnte die Wände seiner Villa in Florida damit tapezieren. Und die seiner Studios noch dazu. Über 800 Goldene sind es derzeit, an seinem 70. Geburtstag, den Frank Farian an diesem Montag feiert. Das entspricht umgerechnet 800 Millionen verkauften Schallplatten und CDs und macht ihn zum erfolgreichsten deutschen Musikproduzenten aller Zeiten. Trotzdem kennen viele Menschen weder seinen Namen noch sein Gesicht, sondern nur seine Stimme. Was ihn angeblich nicht stört.

Er legt es allerdings auch nicht darauf an aufzufallen. Lang sind die Haare, verknautscht ist das Gesicht und braun die Lederjacke, die er zur Jeans trägt. Auf bestimmt 90 Prozent aller Fotos, die es von ihm gibt, sieht Frank Farian so aus. Und das schon seit 40 Jahren.

„Kopf hoch, Baby, lehn’ Dich an mich“

Damals singt er noch selbst. Gibt erst den Rocker, dann den Schlagerfuzzi, wenn er nicht gerade als Koch arbeitet oder in einer seiner Diskotheken nach dem Rechten sieht. Hören will ihn kaum einer. Bis er 1974 den US-Hit „Rocky“ covert, in dem er die Geschichte eines jungen Witwers erzählt, der seiner kleinen Tochter Mut macht. „Kopf hoch, Baby ! Lehn’ Dich an mich ! Es wird schon irgendwie geh’n.“ Kitschig bis zur Schmerzgrenze ist das, aber gut tanzbar. Jedenfalls verkauft sich der Song innerhalb von vier Wochen eine Million Mal.

Dennoch zieht sich Frank Farian, der bürgerlich Franz Reuther heißt, aus dem Rampenlicht zurück. Wohl auch mit der Erkenntnis, dass er diesen Erfolg kaum toppen kann. Jedenfalls nicht unter seinem Namen. Weil er nicht zum Teenie-Idol taugt. „Ich war nie der wirklich gut aussehende Typ. Eher unauffällig.“

Er schreibt schneller, als er denken kann

Das Studio wird sein neues Zuhause. Dort produziert er schneller, als er denken kann. Er schreibt Lieder, hat aber keinen, der sie singt. Eine erste Single entsteht im Alleingang. „Baby Do you Wanna Bump“ wird als Lied einer dunkelhäutigen US-Sängerin verkauft, stammt aber von Farian. „Ich sang sowohl die Kopfstimme als auch die tiefe Bassstimme.“

Alles kein Problem, bis das Fernsehen anfragt. „Da musste eine Gruppe her.“ Der gebürtige Kirner engagiert drei afrikanische Frauen, die anfangs zum Vollplayback die Lippen bewegen, und einen jungen Mann, der auf der Bühne tobt und tanzt wie das Duracell-Häschen unter Aufputschmitteln. Boney M. ist geboren.

Singen können sie nicht, aber tanzen

„Daddy Cool“ heißt der Song, der die Retortenband auf einen Schlag weltbekannt macht und den Weg ebnet für acht Nr.-1-Hits alleine in Deutschland und 150 Millionen verkaufter Platten weltweit. Mehr als genug für Farian, um sich zur Ruhe zu setzen.

Aber das will er nicht, das kann er nicht. „Musik ist meine Droge“, sagt er gerne und gibt zu, dass er „immer unbedingt Erfolg haben will“. Vielleicht erklärt das, warum er 1988 nicht sofort eingreift, als zwei junge Männer unter dem Namen „Milli Vanilli“ mit seinem Song „Girl You Know It’s True“ die Charts stürmen, obwohl sie gar nicht singen können. Als gut aussehende Tänzer hat sie Farian engagiert, zum Vollplayback haben sie bei den ersten Proben gegen seinen Willen ins abgestellte Mikro gekrächzt und eine Lawine ausgelöst, die erst zwei Jahre später gestoppt wird – als die beiden trotz eindringlicher Warnung Farians auf Tour gehen und das Playbackband plötzlich hakt. „Eine absolute Niederlage“ nennt Farian dieses Kapitel seiner Karriere später und spricht von Zügeln, die ihm da wohl entglitten seien.

Neues Musical und Film

Er hat seitdem nicht mehr an alte Erfolge anknüpfen können und mit dem „Daddy Cool“-Musical sogar einen kapitalen Flop hingelegt. Doch so etwas kann einen Mann wie Farian nicht stören. Ein neues Singspiel über Boney M. ist in Planung, und die Geschichte von Milli Vanilli soll verfilmt werden. Logisch, dass der Vater von drei Töchtern bei beidem seine Finger im Spiel hat. Auch weil er, wie er jüngst verkündete, „noch voll im Saft steht“. Keine Spur von Ruhestand also. Aber trotzdem macht sich Farian Gedanken, wie er denn gerne abtreten würde von der Bühne des Lebens. „Ich möchte“, wünscht er sich, „irgendwann mal am Mischpult einfach umfallen. Und Schluss.“