Ein bedrückendes Thema wird von einem ARD-Film grandios aufgearbeitet: Tobias Moretti und Susanne Wolff sorgen dafür, dass die Auswirkungen von „Mobbing“ (Titel) fast körperlich spürbar sind. Anschließend talkt Anne Will über das Thema.
München.
Es scheint alles bestens zu sein, doch schließlich steht er vor dem Nichts. Es ist die Geschichte von Kulturreferent Jo (Tobias Moretti), der plötzlich in einen Strudel gerät, aus dem er sich nicht befreien kann – und, schlimmer noch, aus dem er sich kaum befreien lassen will. „Mobbing“ (ARD, Mittwoch, 20.15 Uhr) ist zugleich auch die Geschichte von Jos Frau Anja (Susanne Wolff) und seiner Familie. Was als Krise beginnt, endet als Katastrophe. Dabei entwickelt der Film von Regisseurin Nicole Weegmann und dem Drehbuch-Duo Eva und Volker A. Zahn einen unwiderstehlichen emotionalen Sog.
Sie zeigen, dass Mobbing wie ein schleichendes Gift wirkt. Trautes Heim und solides Einkommen, funktionierende Familie und großer Freundeskreis: Das Glück von Jo und Anja zerbröselt allmählich, als der Kultur-Manager eine Chefin erhält. Jo wird mit immer mehr Kritik konfrontiert, zugleich schwinden seine Kompetenzen. Schließlich ist der Mann, der einst große Projekte wuppte, nur noch ein Handlanger. Kollegen wenden sich ab. Doch in dieser Situation sucht Jo eben nicht verstärkt die Zuwendung seiner Frau; vielmehr verschließt er sich zunehmend.
Kluge Dramaturgie, kluge Dialoge
Weegmann und das Ehe-Paar Zahn trafen die richtige Entscheidung, ein großes gesellschaftliches Thema an einem kleinen Beispiel zu darzustellen. Mit kluger Dramaturgie und klugen Dialogen sorgen sie dafür, dass ihr Film vom alltäglichen Horror nicht zum Thesen-Papier mit bewegten Bildern verkommt. Und die beiden Hauptdarsteller sorgen dafür, dass das Schicksal ihrer Figuren berührt. Moretti verfällt zunehmend in depressiven Zynismus, und Wolff, als seine Film-Gattin, leidet beinahe körperlich fühlbar mit.
Am stärken sind sie dann, wenn ihnen die Kamera von Alexander Fischerkoesen ganz nah kommt. Ihre Blicke sind zuweilen vielsagender als ihre Dialogsätze. Und ihre Pausen sprechen Bände.
Er ist kaputt – und die Familie ist es auch
In einem grandios trostlosen Finale offenbart sich die ganze Hilflosigkeit des Ehepaars. Jo erledigt in einem Container sinnlose Arbeit: Beide wissen das, und Anja spricht es aus. „Aber davon lebt die Familie“, entgegnet Jo mit leblos grauem Gesicht. Er will sich sein persönliches Elend schönreden. Doch sie sieht, dass er kaputt ist – und seine Familie.
Bühnenschauspielerin Susanne Wolff ist froh, etwas zu spielen, was sie am Deutschen Theater in Berlin nicht erlebt hat: „Das Klima ist human, der Umgang miteinander sehr freundlich. Das hängt sehr mit (Intendant, Red.) Uli Khuon zusammen, der stark darauf achtet, dass keinem der Platz streitig gemacht wird und dass es keine üble Nachrede gibt.“
Die Wirklichkeit sieht vielerorts bedrückend anders aus, wie der Talk von Anne Will (ARD, 21.45 Uhr) nahelegt. Die Moderatorin diskutiert mit Mobbing-Opfer Eberhard Hesse, Verdi-Sekretärin Christina Frank, Unternehmensberater Florian Gerster und Joachim Bauer.