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Klüngel und Korruption auf der Spur

Klüngel und Korruption auf der Spur

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Foto: Andreas Wünschirs/ZDF
Im ZDF-Krimi geht es am Montagabend um die Schatten der Vergangenheit. „Tatort“-Regisseur Johannes Grieser verfilmte eine Vorlage von Edelfeder Holger Karsten Schmidt: „Für immer ein Mörder – der Fall Ritter“.

Mainz. 

Das 25-jährige Jubiläum des Mauerfalls hat das Krimi-Fernsehen inspiriert. Muster: Alte Fälle reichen zurück bis in die letzten Jahre der DDR. Die Vergangenheit wirft lange Schatten bis in die Gegenwart. Ein Special der „Soko Leipzig“ war kürzlich der erste, durchaus gelungene Versuch, Zeitgeschichte unterhaltsam aufzuarbeiten. Jetzt legt das ZDF einen weiteren ähnlichen Krimi nach: „Für immer ein Mörder – der Fall Ritter“ (20.15 Uhr).

Dem Zweiten ist das Thema nicht nur lieb, sondern auch teuer. „Tatort“-Regisseur Johannes Grieser verfilmte eine Vorlage von Edelfeder Holger Karsten Schmidt. Obendrein stand Grieser ein All-Star-Ensemble zur Verfügung, wobei sich verdiente Schauspieler wie Michael Gwisdek nicht zu schade waren, eine Nebenrolle zu übernehmen.

Schuldspruch wogschwerer als Freispruch

Für die Hauptrollen hat Grieser ein Mann-Frau-Duo zusammengespannt: Hinnerk Schönemann darf als grüblerischer, unsicherer Jung-Polizist vom Lande eine neue Facette seines Könnens zeigen. Die eigentliche Überraschung aber ist Teresa Weißbach. Die 33-Jährige kann Film wie Theater und zählt zu den unverbrauchten, hoffnungsvollen Gesichtern des Fernsehens.

Weißbach spielt die West-Kollegin Yvonne Weber, die sich im Jahr 1999 von Frankfurt am Main nach Eisenach, Thüringen, hat versetzen lassen. Sie wird von Grieser in einer großartigen Szene eingeführt. Die demonstrative Kumpelhaftigkeit von Dienststellenleiter Schulte (Karl Kranzkowski) und Alt-Ermittler Lutz Müller (Oliver Stokowski) erstarrt jäh in dem Moment, als die Neue ihr Motiv für den Neustart nennt: „Ich habe gegen meine eigenen Kollegen ausgesagt.“ Sie sagt es leichthin, fast im Scherz, doch alle Beteiligten begreifen instinktiv, dass es der jungen Frau bitterernst ist.

Zur Einführung in den neuen Job gibt der Polizei-Chef der neuen Kollegin einen Alt-Fall, der scheinbar gelöst ist: Der Rockmusiker Konrad Ritter (Luca Zamperoni) wurde wegen des Mordes an einer jungen Frau im ehemaligen Grenzgebiet zur alten Bundesrepublik zunächst lebenslänglich eingebuchtet. Dann, nach einer Neuaufnahme des Verfahrens, kam er nach nur anderthalb Jahren frei. Nur: Der Schuldspruch wog jedoch für die Umwelt des Künstlers schwerer als der Freispruch. Der Mann hätte sich beinahe das Leben genommen.

Die West-Frau braucht einen Ost-Gegenpart

Natürlich hält die Neue den Fall eben nicht für abgeschlossen. Sie entdeckt in den Akten Ungereimtheiten, Fehler, Fälschungen. Um die Wahrheit herauszufinden, braucht die West-Frau einen Ost-Gegenpart – einen, der Land und Leute kennt, aber auch einen, damit der Film keinen Besserwessi-Drall erhält. Der integre Mann aus dem Osten wird von Hinnerk Schönemann so gespielt, dass er beinahe zerrissen wird im Konflikt zwischen dem Ethos des korrekten Beamten und der Loyalität zu Freunden und Kollegen.

Ihre gemeinsamen Ermittlungen entlarven schließlich gegen alle Widerstände Klüngel und Korruption bei Volkspolizei und Stasi: Der Musiker wurde zum Sündenbock auserkoren.

Der Film hält sein Publikum mit einer clever konstruierten Geschichten und mit der doppelten Illusion einer Zeitreise in seinem Bann. Sowohl die Atmosphäre der Nachwende-Ära als auch das DDR-Lebensgefühl kommen nahezu perfekt rüber.

Dennoch sollten sich die Zuschauer im Klaren darüber sein, dass Strukturen, die Unrecht vertuschten und verschwiegen, kein Privileg des anderen deutschen Staates waren. Etliche Dorfkrimis haben schon ähnliche Geschichten glaubhaft erzählt. Sie waren durchweg unpolitisch.