Seit 20 Jahren ist Hubertus Meyer-Burckhardt eine feste Größe in der Talkshow-Szene. Wie er wurde, was er ist, verrät der TV-Veteran im Interview.
Köln.
Wir haben uns verabredet im Kölner Funkhaus-Café, aber Hubertus Meyer-Burckhardt ist früher da, und ich auch. Wir laufen uns förmlich in die Arme. Der 58-jährige Talker und TV-Produzent zieht aber ein ruhiges Eckchen in der Lobby eines Hotels vor. Er liebt italienische Lebensart, also trinkt er einen Espresso ohne Zucker und ein stilles Wasser. Unser Thema ist sein Talk-Jubiläum (Freitag, 12. Dezember um 22 Uhr).
Sie talken seit 20 Jahren…
Meyer-Burckhardt: Das stimmt. Aber mit sechs Jahren Pause.
Zugestanden. Aber dann sind Sie wieder eingestiegen und machen den NDR-Talk bis heute. Wie sind Sie damals zum Talk gekommen, den Sie damals mit Alida Gundlach gemacht haben?
Meyer-Burckhardt: Das ist eine komplizierte Geschichte.
Aber letztlich haben Sie Spaß an der Sache gefunden.
Meyer-Burckhardt: Aus Respekt vor begrenzter Lebenszeit mache ich nur Sachen, die mir Spaß machen.
„Ich habe nie ein Kamera-Training gemacht“
Worin besteht der Reiz einer Talkrunde?
Meyer-Burckhardt: Das ist genau wie im Privaten. Es ist auch am hölzernen Küchentisch schön, wenn Menschen ins Gespräch gebracht werden und sich unterhalten, wenn sie sich austauschen. Eine Talkshow ist nichts anderes als das Nachempfinden einer Marktplatz-, einer Nachbarschaftssituation.
Doch nicht jeder beherrscht diese Kunst.
Meyer-Burckhardt: Ich denke darüber nicht nach. Ich habe nie ein Kamera-Training gemacht.
Sie sind ein Naturtalent.
Meyer-Burckhardt: Ohne eine gewisse Begabung geht es nicht. Das ist ja kein Lehrberuf. Man sollte sich aber nicht zu sehr reflektieren. Sonst wird man affektiert.
Wurde in Ihrer Familie viel geredet?
Meyer-Burckhardt: Ich bin bei zwei starken Frauen groß geworden, meiner Großmutter und meiner Mutter. Das war eine Mischung aus Ostpreußen und Berlin. Mein Vater stammt aus dem Elsass. Das war eine ziemlich kontroverse Familie.
„In England habe ich die freie Rede gelernt“
Wie sah Ihre Rolle aus?
Meyer-Burckhardt: Ich war Klassenkaspar, später Schulsprecher. Ich hatte immer eine gewisse Tendenz zur Rampensau, die aber sofort erlischt, wenn die Bühne weg ist. Ich mache mit Ina Müller im Ernst-Deutsch-Theater gelegentlich eine Improshow, bei der wir vorher nicht wissen, was los ist. Manchmal werde ich gefragt, ob ich keine Angst habe, und meine Antwort lautet: nein, nie.
Wie kommt das?
Meyer-Burckhardt: Ich habe eine Weile in England gelebt, und da habe ich die freie Rede gelernt. Du lernst nicht nur, spontan zu reden, sondern auch so zu reden, dass Du andere für Dich gewinnst. So was wird in Deutschland mit Vorbehalt gesehen. Es heißt dann, der will sich wichtig machen. Das Wort Selbstdarsteller ist gerade in protestantischen Gegenden das Schlimmste, was einem passieren kann.
„Man sollte wieder runterkommen“
Welche Konsequenz haben Sie daraus gezogen?
Meyer-Burckhardt: Man sollte ein paar Regeln für Gespräche in der Öffentlichkeit und ein paar Bühnengesetze mäßigkeiten kennen, aber beim Verlassen der Bühne auch sofort umschalten können. Sonst ist man nicht geerdet. Man sollte wieder runterkommen.
Sie haben einen außerordentlich bunten Lebenslauf, haben Philosophie studiert und Film, waren in der Werbung, sind Filmproduzent, Gastgeber von Talkrunden und auch Autor. Sind Sie ein Mann, der immer neue Chancen sieht?
Meyer-Burckhardt: Ich habe meinen Lebenslauf nicht entworfen. Mich hat immer eine gewisse Ruhelosigkeit geprägt. Meine Mutter erzählte mal, dass ich als kleiner Junge immer mit dem Fahrrad zur Autobahnbücke gefahren bin, um den Fernfahrern zuzuwinken. Alles was von A nach B geht, mag ich. Ich bin ein ruheloser Geist. Aber wenn ich die Berge Nordhessens sehe, packt mich ein Heimatgefühl, sonst brauche ich nicht viel Heimat. Ich brauche eine gute italienische Trattoria, eine gute Buchhandlung, einen Flughafen und einen ICE-Anschluss.
Die nächste NDR Talk Show läuft am Freitag, 12. Dezember