Hippe Läden, seltene Sorten – Kleine Eisdielen sind im Trend
Kleine deutsche Eisdielen sind beliebt. Sie heißen Eiswerk oder Kugelpudel und drängen zwischen Klassiker wie La Gondola oder Venezia. Hinter den deutschen Eisdielen stecken kreative Köpfe, die ungewöhnliche Sorten austüfteln und ihre Läden hip einrichten. Was sie können, wo es sie gibt.
Dortmund/Hemer.
Bunt gepolsterte Stühle neben runden Tischchen mit Wachsdecken. An den Wänden hängen großformatige Drucke, die Gondelszenen in Venedig zeigen. – In diesem Ambiente verdrücken wir manche Kugel Eis. Vanille, Schokolade, Pistazie oder Nuss, die Klassiker der Gelateria. Wenn die Küche mutig ist, gibt es noch Eierlikör- oder Kokos-Geschmack. Kennt man, mag man. Althergebrachtes muss nicht schlecht sein. Doch es geht auch anders. Willkommen in einer neuen Eiszeit!
Am Eiscafé war der Zeitgeist lange vorbeigegangen
Restaurants und Kneipen erfinden sich gerne neu. Es kamen die Chinesen, die Mexikaner und die Sushi-Läden. Kaffee-Shops vermehrten sich und wurden hip, nur an einem war der Zeitgeist lange vorbeigegangen: am Eiscafé. Damit ist jetzt Schluss, Kreative Köpfe krempeln die Eisdiele um.
Es fängt schon bei den Namen an: Eisfabrik und Eisprinz, Kuhbar und Kugelpudel drängen zwischen Venezia, San Remo und La Gondola. Getragen wird die neue deutsche Eiswelle vom Wunsch nach Originalität. Kunden schätzen ein frisches Ambiente und natürliche Inhaltsstoffe. Beides finden sie in Lokalen, die sich lieber Eismanufaktur nennen, und die so etwas wie die Bio-Läden unter den Eisdielen sind. Da ist die Kugel vielleicht zehn Cent teurer, aber oft stecken auch zehn Cent mehr Finesse drin.
„Bunt gepolsterte Stühle kommen bei mir nicht vor“
Eine Vertreterin dieses modernen Eisfachs ist die Sauerländerin Nina Lenninghaus. Zuerst hatte die 34-Jährige eine Wirtschaftskarriere eingeschlagen: Studium, Veränderung nach Hamburg, Stelle als Personalreferentin. Und dann die Erkenntnis: „Das bin ich nicht. Ich möchte etwas Handwerkliches machen und wieder auf dem Land leben.“
Also zurück. Doch bei ihrem Fortzug aus der Großstadt hat sie etwas mitgenommen und in das kleine Iserlohn-Hennen getragen: Die Idee, das etwas andere Eis anzubieten. „In einem Ambiente, in dem ich mich auch zu Hause wohl fühlen würde. Bunt gepolsterte Stühle kommen darin nicht vor.“ Herausgekommen ist das „Eiswerk“. Weiß und Lila eingerichtet, Schiefertafeln an den Wänden, ohne jeden Schnickschnack.
Viele dieser Eis-Läden sind ähnlich puristisch eingerichtet. „Tati“ in Düsseldorf mag es schwarz-weiß mit Retro-Lampen, „Kugelpudel“ in Bochum setzt auf hellhölzerne Details, „Smilla“ in Mönchengladbach kombiniert Weiß mit zarten Rosé-Tönen. Gondelszenen an den Wänden wird man hier nicht finden.
Zum Prinzip gehört, sich ständig neu zu erfinden. Das Angebot wechselt und weicht vom Standard ab: Die Sorten heißen Butterkeks, Milchreis/Zimt oder gesalzene Erdnuss. Zwischen Vanille und Schoko (ohne die läuft nichts) tauchen auch Tonkabohne, Lavendel oder Andalusische Zitrone auf, Basilikum, Kalte Schnauze und Sanddorn.
Kuriose Sorten wie Ziegenkäse/Honig/Thymian oder Kürbiseis
Nina Lenninghaus steht täglich in ihrer Eisküche in Hemer und tüftelt Kreationen aus. Ziegenkäse/Honig/Thymian ist dabei schon rausgekommen und Kürbiseis in Knatschorange. „Davon haben wir jedem Kunden zuerst ein Löffelchen zum Probieren gegeben. Das war sehr speziell“, sagt sie und lacht. Vor fünf Jahren hat die Sauerländerin ihren Eiskunstlauf begonnen – und ist mit dem Unternehmen ständig gewachsen.
Vier Filialen gibt es inzwischen, in Hennen, Hemer und Dortmund. Dazu ein Büro und das Eislabor, wo täglich 400 Liter Eis von Hand hergestellt und in die Niederlassungen gefahren werden. „Wir haben uns entschieden, das nun groß aufzuziehen. Wir wollen eine Marke werden“, sagt Nina Lenninghaus. Sie beliefert Hofläden und Restaurants, die sich ebenfalls der Liebe zum Naturprodukt verschrieben haben, und kann sich vorstellen, dass ihr Eiswerk zu einem Franchise-Unternehmen wachsen wird.
Viele der eiskalten Verführer lernen ihr Handwerk bei Uwe Koch. Der gelernte Konditormeister hat zum Eislehrer umgeschult und bildet Menschen wie Nina Lenninghaus in seiner Eisfachschule in Werl aus. Über den Boom der neuen deutsche Eisdielen sagt er: „Auch die Kunden sind experimentierfreudiger geworden.
Sie wollen etwas Besonderes und legen Wert auf natürliche Zutaten.“ Koch erklärt den ambitionierten Eismachern, worauf es bei der Zubereitungen ankommt, wie sie Sorten erfinden können und auf was sie beim kaufmännischen Teil achten müssen. Denn bei aller Liebe zum Eis: Es ist ein Saisongeschäft. Zwar schleckt der Deutsche acht Liter jährlich, aber den größten Teil davon im Sommer. Davon sind Klassiker wie neue Sorten gleichermaßen betroffen.