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Deutsche stranden als Obdachlose auf Mallorca

Deutsche stranden als Obdachlose auf Mallorca

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Foto: Enrique Calvo/Reuters
Im Schatten der sonnigen Ferieninsel Mallorca wächst die Armut. Auch etliche deutsche Auswanderer sind obdachlos. Schon zehn deutsche Obdachlose starben in diesem Jahr. Der 56-jährige Karl Uwe K., der in einem Abwasserrohr in der Nähe von Sóller im Nordwesten hauste, wurde von Ratten tot gebissen.

Madrid. 

Sie kamen als Auswanderer und Aussteiger. Mit der Illusion im Gepäck, unter Mallorcas Sonne einen Job zu finden und ein neues Leben anzufangen. Doch nicht alle schaffen das. Etliche Deutsche sind im spanischen Urlaubsparadies gestrandet. Leben heute auf der Straße, schlafen auf der Parkbank oder sogar in Felslöchern. Seit Jahresbeginn starben zehn deutsche Obdachlose auf der Insel. Für sie endete der Aufenthalt auf der Trauminsel mit einem Albtraum – und meist mit einem Armenbegräbnis.

So wie für den 56-jährigen Karl Uwe K., der in einem Abwasserrohr in der Nähe von Sóller im Nordwesten hauste. Zwischen Abfall, Sperrmüll und Kartons. „Charly“ nannten ihn die Bewohner. Auf der Straße verkaufte er selbstgemalte Bilder. Manchmal saß er mit seinem Hund „Señor Roberto“ vor dem Supermarkt, wo ihm die Leute Essen oder eine Münze zusteckten.

Von Ratten tot gebissen

Zuletzt war er krank, schwach auf den Beinen. Konnte sich nicht mehr wehren, als ihn Ratten in seiner Elendsbehausung attackierten. Irgendwann wurde er bewusstlos gefunden. Der Körper war mit Bissen übersät. „Er lag auf dem Boden und befand sich in furchtbarem Zustand“, erinnert sich ein Anwohner namens Matias, der mit einer Taschenlampe in das Abwasserloch gestiegen war, nachdem man „Charly“ schon tagelang nicht mehr gesehen hatte. Doch die Hilfe kam zu spät. Wenig später starb der Obdachlose im Krankenhaus.

Schon vor Monaten hatten Sozialarbeiter der Gemeinde versucht, den verwahrlosten Mann von der Straße zu holen. Sie wollten ihm eine Unterkunft besorgen. Doch er weigerte sich. „Er wollte nichts von uns wissen, wir konnten nichts für ihn tun“, berichtete Antoni Arbona, der im Rathaus von Sóller für Sozialfälle zuständig ist.

Hunderte Einwanderer scheitern

Der Tod des Landstreichers erinnerte daran, dass hier hunderte Einwanderer scheitern und sich auf der Straße durchschlagen. Sie schlafen unter Brücken, in Hausruinen, in Parks und im Sommer am Strand. Manche haben sich in der Umgebung des Flughafens eingerichtet, leben von Spenden und Abfällen der Reisenden.

Helfer schätzen, dass auf der Insel etwa 100 deutsche Vagabunden leben, davon vielleicht 50 in Palma. Doch genaue Zahlen existieren nicht. Man weiß nur, dass es immer mehr Gestrauchelte gibt. Das Rote Kreuz, das sich in Palma um die Wohnungslosen kümmert, zählte im Jahr 2012 etwa 900 Obdachlose – so viele wie noch nie. Knapp die Hälfte sind Ausländer.

Armenverpflegung der Rot-Kreuz-Helfer reicht nicht

Immer öfter reicht die Armenverpflegung der Rot-Kreuz-Helfer und der Suppenküchen in Palma nicht für alle. Die meisten Bedürftigen müssen sich mit Betteln und Gelegenheitsjobs über Wasser halten. Doch Jobs gibt es nicht viele. Die Wirtschaftsmisere hält auch Mallorca fest im Griff. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 28 Prozent.

Trotzdem wollten die meisten ausländischen Obdachlosen nicht in die Heimat zurück. Viele sind psychisch angeschlagen, haben alle Brücken abgebrochen. Sie steckten oft schon daheim in der Krise, flüchteten vor ihren Problemen, oft auch vor Schulden.

Nur wenige bitten in Palma beim Konsulat um Hilfe

„Viele von ihnen sind Drogensüchtige, Alkoholkranke, Ex-Strafgefangene“, beschreibt die Hilfsorganisation Zaqueo ihre etwa 250 mittellosen Kunden, die täglich in der Armenküche in Palmas Zentrum vorbeischauen. Inzwischen kämen aber auch Arbeitslose, die allein nicht mehr über die Runden kommen. Alle hätten eines gemein: „Sie sind einsam und verlassen.“

Nur wenige Pechvögel mit deutscher Abstammung bitten in Palma beim Konsulat um Hilfe. Aus Scham, oder weil sie den Kontakt mit den Behörden meiden. Vielleicht auch, weil sie ahnen, dass sie vom deutschen Staat keinen Scheck erwarten können, um ihre finanziellen Probleme zu lindern.

Ein Zuhause auf dem Busparkplatz

Aber die Konsularbeamten bemühen sich in jedem Falle um Rat und Lösungen, etwa indem sie Kontakt zu Hilfsorganisationen oder Familienangehörigen herstellen. So gelingt es manchmal sogar mit vereinter Kraft, einen abgestürzten deutschen Unglücksraben in die Heimat zurückzuholen. Doch das ist eher die Ausnahme.

Die meisten Vagabunden scheinen vorzuziehen, in armseligen Umständen im Süden Europas zu hausen statt in den Norden zurückzukehren. So wie jene, die sich auf dem alten Busparkplatz in der Nähe der Altstadt Palmas eingerichtet haben. Mit Matratzen und Plastiktüten. Auch Tische und Stühle haben sie aufgetrieben. Wäscheleinen hängen zwischen Bäumen. Ein Blumentopf steht auf dem Boden.