Kicker-Weltmeister Stephan Wolf – der Mann an den Stangen
Der Bochumer schaffte es vom Kneipenkicker zum Weltmeister. Dafür erhielt er 150 Euro. In unserer Serie stellen wir schräge Revier-Champions vor.
Bochum.
Wer den Kicker-Weltmeister beim Training besucht, der reibt sich zunächst die Augen. Das Spielgerät hat sich verändert. Der Mann von der Stange hat sich verändert. Statt Püppchen mit schneidiger Frisur und bunten Trikots dirigiert Stephan Wolf seltsame Figuren, die aussehen wie futuristische Wäscheklammern. „Der klassische Kicker wird heute nicht mehr gespielt – außer im Saarland“, sagt Wolf. Der Bochumer beherrscht trotzdem beide: Immerhin ist er Weltmeister. 2014 schnappte er sich in der Disziplin „Neuling-Einzel“ den Titel.
Doch die Erfolgsgeschichte von Stephan Wolf begann mit einer herben Klatsche. „Das war vor knapp acht Jahren in einer Bar in der Bochumer Innenstadt“, erzählt der 26-Jährige.
Keine Chance für Kellerkicker
Zusammen mit einem Kumpel wollte er seine Kickerkünste unter Beweis stellen. Immerhin verfügt Bochum über die größte Kneipenliga Deutschlands, und Wolf spielte, seitdem er mit 15 Jahren von seinen Eltern einen Kicker geschenkt bekam, im heimischen Keller. „Wir dachten, wir sind die Könige“, erinnert sich Wolf. Also knallten sie 50 Cent auf die Kicker-Kante und forderten zwei andere Jungs heraus. „Sie haben uns fundamental abgezogen“, sagt Wolf und muss lachen. Zu schnell, zu hart, zu präzise: Keine Chance für die Kellerkicker. Was auch immer die Jungs mit ihnen gemacht hatten, das wollte Stephan Wolf auch können.
Also zog es ihn ins „Zentrum für Kickerspieler“. In der Studentenkneipe „19vorne“ begann er, richtig zu trainieren. „Ich hatte ja gar keine Ahnung von Schusstechniken“, erzählt er. Der Kneipensport wurde für Wolf zum Leistungssport. Er baute sich einen Tisch, trainierte neue Techniken und testete sie dann mit den Kollegen.
Mit Golfhandschuhen und Griffschlauch
„Fußball-Fan war ich eigentlich nie“, sagt er, „klar, über den WM-Titel in Rio habe ich mich gefreut – aber meinen habe ich mehr gefeiert.“ Für ihn ist Tischfußball auch eher mit Tischtennis als mit Fußball verwandt: „Es ist sehr präzise, reaktionsschnell, und man ist direkt am Gegner dran“, sagt Wolf.
Seit 2011 ist Tischfußball offiziell als Sportart anerkannt. Wolf gründete damals mit einigen Kollegen den Tischfußball-Verein Bochum. Steht der Referendar für Mathe und Physik heute am Tisch, braucht der erste Kick seine Zeit. Über jeden Stangengriff streift Wolf einen Griffschlauch. Dann zückt er Handschuhe. Der symbolische Fehdehandschuh? Nein, ein Golfhandschuh. Alles fürs Gefühl. „So hat man immer einen konstanten Griff“, erklärt er. Dann geht es los. Anstoß – nicht Einwurf.
Im Duell schwankt seine Miene zwischen Konzentration und diabolischem Grinsen. „Meine Strategie ist, möglichst unangenehm zu spielen, all das zu machen, was ich selbst nicht bei Gegnern mag.“ Was genau das ist? Sehen kann man es nicht. Zu schnell rast der Ball von Wäscheklammer zu Wäscheklammer. Erst hört man ein „Plock“, dann sieht man, dass der Ball im Tor ist.
Angebote von anderen Vereinen für den Weltmeister
Wolfs Klub ist in der Kneipen- und in der NRW-Liga vertreten, reist regelmäßig zu Turnieren. So auch 2014 zur WM des Verbandes „Players 4 Players“ nach Bonn. An 90 Tischen spielten allein in der Einzel-Disziplin 238 Spieler – anmelden konnte sich jeder. Der Bochumer schaffte es im Neulinge-Einzel bis ins Finale. Dort traf er auf einen Luxemburger. „Gegen den hatte ich vorher verloren. Aber diesmal passte alles.“ In drei Sätzen setzt er sich durch. Am Ende gab es ein Preisgeld: 150 Euro. „Bei 14 Euro Startgeld“, so Wolf lachend.
Geld ist mit dem Kickersport nicht zu verdienen. „Ist doch cool, dass es eine Nische ist“, findet der Familienvater, „alles ist sehr persönlich und nicht so ernst. Es weiß halt jeder, dass es nur Kicker ist.“ Die Betonung liegt auf „nur“.
Dennoch erlebt der Sport einen Boom. „Ich habe nach meinem Titel sogar Angebote von anderen Vereinen bekommen“, sagt Wolf. Klingt nach Transferpolitik. Ganz kriegt man den Fußball aus dem Kickern eben doch nicht heraus.